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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Lüge. Langsam wurde mir klar, wie wichtig es war, morgen Zugang zu Keatings Party zu bekommen. Es war der einzige Ort, wo ich ihn zur Rede stellen konnte, der Ort, wo ich, wie Gabrielle gesagt hatte, aus erster Hand einen Einblick in seine Welt bekommen würde.
    Ich sagte: »Wir werden mit Keating und Schwadron sprechen. Vielleicht kommt sogar Direktor Carbone zu der Party.«
    Stille am anderen Ende der Leitung. Dann sagte Gabrielle mit sanfterer Stimme: »Haben Sie es denn noch nicht gehört?«
    »Was ist passiert?«, fragte ich, und die Vorahnung weiterer Katastrophen ließ mir das Herz bis zum Hals schlagen.
    »Er ist heute zurückgetreten. Alicia Dent hat die Story gebracht. Irgendwas mit einer langjährigen verheirateten Geliebten, mit der er Zwillingstöchter hat. Unser neuer Präsident toleriert ein solches Verhalten nicht.«
    »Was?!«
    »Er hat das Land bereits verlassen. Zieht sich für eine Weile nach Europa zurück. Der Präsident wird seinen Nachfolger nominieren.«
    Ich legte auf. Etwas Großes und Abscheuliches ging hier vor. Etwas, das der Vorsitzende entfesselt hatte. Es richtete sich gegen die Menschen, die ich liebte. Und ich war immer noch nicht sicher, was es war und wer dahintersteckte.
    Ich wollte in Gabrielles Nähe sein und sehen, was meine neu gewonnene Intuition mir über sie sagte. Es ging nicht nur um die Disk. Ich wollte wissen, ob ich sie unter dem Einfluss von Lenox’ neuer Entdeckung vielleicht besser verstand. Jener Chemikalie, die die Synapsen meines Gehirns überrannt und einem Major zum Sieg beim Kriegsspiel verholfen hatte. Der es aber nicht gelungen war, den Vorsitzenden vor seinem bevorstehenden Tod zu warnen.
     
    Garrison Bight war ein großer ovaler Hafen, der sich zu beiden Seiten einer zweispurigen Überführung erstreckte. Die Charterboote lagen entlang eines betonierten Kais. Auf einem Blechdach mit dem Marlin-Logo hockte eine Reihe Tauben stumpfsinnig in der Sonne herum.
    Ein paar der Liegeplätze waren leer. Einige Boote wurden gerade gereinigt. Mehrere Kunden – eine Familie und zwei dicke Männer mit Angelruten und Sixpacks – schienen mit den Charterkapitänen über Preise zu verhandeln. Ich lenkte den Maxima auf einen Parkplatz. Es gab keine zeitliche Beschränkung. Vielleicht konnte ich den Wagen ein paar Tage hier stehen lassen. Aber ein Werbetext an einer Telefonzelle – gleich neben meinem Phantombild – brachte mich auf eine bessere Idee.
    Meine Phantomzeichnung ließ mich nicht aus den Augen, während ich die Gelben Seiten durchblätterte und eine Nummer herausschrieb.
    Man trifft seine Wahl, und anschließend muss man damit leben, pflegte mein Vater zu sagen. Man entscheidet sich und bläst auch nicht Trübsal, wenn es hinterher nicht so gut läuft.
    Beiläufig schlenderte ich auf die wartenden Charterkapitäne zu.
    Auf einem Schild stand: CAP’N NICK MURPHY, HALBTAGSPREISE!
    Ein anderes besagte: UNSERE SPEZIALITÄT: KNOCHENFISCHE.
    Die Boote dümpelten sanft vor sich hin. Auf der anderen Seite des Hafens gab es eine Bootsgaragenanlage, vier Stockwerke hoch, nach vorne offen, in der die Boote in Aufzügen gestapelt waren wie in New Yorker Hochhausparkhäusern. Auf der Wasseroberfläche trieben regenbogenfarbige Ölstreifen.
    Und plötzlich dröhnte die Stimme in meinem Kopf wieder los, eine schrille Warnung, die in keinem Zusammenhang mit dem zu stehen schien, was ich sah.
    GEFAHRGEFAHRGEFAHRGEFAHR …
    Doch ich ergriff nicht die Flucht. Das hätte nur Aufmerksamkeit erregt. Ich bezwang meine Angst, setzte mich auf eine Bank am Rand des Kais und öffnete gelassen meinen Anglerkoffer. Ich befestigte die Rolle an der Rute und einen silbernen Köder an der Leine. Ich war ein Angler. Ich war ganz entspannt. Während der Arbeit nahm ich die Bootsreihe unauffällig in Augenschein und suchte nach etwas, das ich übersehen hatte.
    So bemerkte ich die beiden Männer, die auf einem der Boote mit dem Kapitän redeten. Der kleinere wandte den Kopf ab, als hätte er gerade noch in meine Richtung gesehen. Der größere führte das Gespräch.
    Sie trugen keine Uniform, nicht einmal Anzüge, aber das gepflegte Äußere, der Kurzhaarschnitt, der massige Körperbau und die unausgesprochene Autorität, die sie ausstrahlten, sagten mir genug.
    Ich hatte kein ziviles Polizeifahrzeug mit seiner verräterischen Antenne auf dem Parkplatz gesehen. Aber Detectives benutzen gelegentlich auch ihre Privatautos, besonders, wenn sie Sonderschichten fahren und alle offiziellen

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