Settlers Creek
bestimmen dürfen.«
Plötzlich wurde sie ernst: »Box, bitte, komm wieder ins Bett. Ich rufe die Polizei.«
»Bin gleich wieder da.«
Er trat aus dem Schlafzimmer und machte das Licht im Flur an. Sie folgte ihm. »Box.«
»Ich weiß.«
»Mach keine Dummheit.«
»Genau das weiß ich doch.«
»Versprich’s mir!«
»Ehrenwort.«
Liz ging wieder ins Schlafzimmer und schloß die Tür hinter sich.
Box bemerkte, daß die Tür von Heathers Zimmer halb offen stand, doch drinnen war es dunkel. Kein Geräusch, keine Bewegung. Gott allein wußte, wie die drei Mädchen bei dem Krach schlafen konnten. Aber Teenager würden vermutlich sogar den Weltuntergang verschlafen.
Box trat durch die Haustür auf die Veranda hinaus und fand dort seine Arbeitsstiefel. Noch immer waren sie von Lehm überkrustet. Er suchte gar nicht erst nach Socken, zog die Stiefel an und ging dann die Einfahrt hinunter zur Straße. Während er den kümmerlichen Versuch unternommen hatte zu schlafen, war das Unwetter nach Norden abgezogen. Jetzt zeigte sich der Himmel wolkenlos, und er konnte ein paar Sterne auf dem Schwarz erkennen. Es war kalt, und er dachte, daß es Bodenfrost geben könnte, vielleicht am Morgen sogar Eisregen.
Die Tür und alle Fenster des Nachbarhauses standen offen. Von innen drang ein seltsames Licht mit der baßlastigen Musik auf die Ruine eines Rasens. Seine Farbe machte das Licht so seltsam. Es war rot. Das ganze Haus wirkte dadurch wie ein billiges Bordell. Das Gras unter Box’ Füßen schien so tot, als wäre es mit Napalm behandelt worden. Während des langen heißen Sommers, dem übergangslos ein trockener Herbst gefolgt war, hatte er kein einziges Mal einen Gartenschlauch auf dieser Seite des Zauns gesehen, geschweige denn einen Rasensprenger. Die Gerippe zweier verrosteter und ausgeweideter Autos zeichneten sich im roten Licht des Eingangs ab, daneben Bierdosen und Cola- und Whiskyflaschen.
Etwa sechs Leute standen auf den Stufen vor der Tür und rauchten. Box kamen sie geradezu lächerlich jung vor, keiner von ihnen schien älter als fünfundzwanzig zu sein. Als er zu ihnen trat, traf ihn die Musik aus der Tür wie ein Schlag in die Magengrube.
»Entschuldigung, wessen Party ist das?«
»Hä?«
»Wer veranstaltet die Party?«
Ein junger Mann mit rötlichem Bart begegnete Box’ Blick, schaute aber gleich weg. »Nur mit Einladung.«
»Ich wohne nebenan.«
Schulterzucken. »Digger ist drinnen irgendwo.«
»Wer?«
»Digger. Es ist seine Party.«
Box ging die Stufen hinauf. Die geöffnete Tür führte direkt in ein Wohnzimmer. Die Möbel waren weggeräumt worden. Dicht an dicht standen Paare herum und tanzten schwankend, wobei sie aus Flaschen und Dosen tranken und sich in die Ohren brüllten oder lachten. Irgend jemand hatte die Glühbirnen angemalt. Der ganze Raum war in rotes Licht getaucht, was den seltsamen Lichtschein draußen erklärte. Die beiden Lautsprecher der Anlage standen auf einem Tisch am anderen Ende des Raums. Sie hatten die Größe von Bananenkisten. Für Box wirkten sie altmodisch. Aber vielleicht waren sie schon wieder so retro, daß sie cool waren. Ohrenbetäubender Lärm, der alle in dem Raum zu einer einzigen zuckenden Masse zusammenzupressen schien.
Box blieb bei der Tür stehen und sah sich um. Hier, dachte er, herrschte ein anderes Level von Unwirklichkeit. Er läge besser in seinem Bett und schliefe oder versuchte zumindest zu schlafen. Statt dessen – er schaute in die sich auf und ab bewegenden schweißfeuchten Gesichter im roten Licht – statt dessen: das hier.
Ein dünnes Mädchen in kurzem Jeansrock bewegte sich auf die Stelle direkt vor ihm zu. Sie schien allein zu tanzen, obwohl das bei der drangvollen Enge schwer zu sagen war. Box tippte ihr auf die Schulter. Sie wandte sich um und sah ihn aus mascaradunklen Lemurenaugen an. Sie trug ein großes Piercing zwischen Unterlippe und Kinn.
»Ich bin auf der Suche nach Digger. Digger?«
Das Mädchen grinste schief und sagte etwas, das Box in dem Lärm nicht verstand. Sie zeigte auf die Tür am anderen Ende des Raums.
»Danke.«
Er bahnte sich einen Weg durch die Menge. Es stank nach Zigarettenrauch, offenbar gingen nicht alle zum Rauchen raus. Er roch auch den Schweiß der Tänzer und das Gemisch der Parfums der Mädchen. Dazu der süße Geruch von verschütteter Cola und Whisky und natürlich der nach Gras. Box war froh darüber, daß er die meisten in diesem Raum überragte. Er entschuldigte sich nicht, sondern
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