Settlers Creek
Eigentlich waren sie von Anfang an drei. Liz und Mark gab es nur zusammen. Und ihm war das immer recht gewesen.
Fünf
Box lag stocksteif neben Liz und lauschte auf die pulsierenden Bässe aus dem Haus nebenan. Es war kurz nach Mitternacht. Vor ungefähr einer Stunde war die Party so richtig losgegangen. Er spürte die Musik durch die Wände dringen, sie brachte die Luft und das hölzerne Bettgestell zum Vibrieren und hallte in seiner Brust wider.
Er versuchte, sich zu entspannen, in den Schlaf zu sinken. Doch seine Gedanken schossen wie Flipperkugeln hin und her zwischen Mark – mein Sohn ist tot! Mark ist tot! – und den komplizierten Arrangements für die Beerdigung, einem Seil im Gartenschuppen und einem Baum oben auf den Hügeln über der Stadt. Hat sich erhängt. Tot.
Warum zum Teufel veranstalten die am Sonntagabend eine Party? Rücksichtslose Scheißkerle. Überall hier wohnen Leute, die morgen früh zur Arbeit müssen. Und Schulkinder, die ihren Schlaf brauchen, um morgen rechtzeitig aus den Betten zu kommen.
In den zehn Jahren, die er in dem Haus auf Clifton Hill gewohnt hatte, vor der Finanzkrise, bevor die Häuserpreise über Nacht einbrachen, bevor das Unglück über ihn hereinstürzte wie die biblischen Plagen – er versuchte, die sich ständig wiederholenden Gedankenschleifen aus dem Kopf zu kriegen –, jedenfalls vor alledem hatte es niemals eine laute Party bei irgendwelchen Nachbarn gegeben.
Doch als er jetzt darüber nachdachte, stellte er fest, daß das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Einmal, als Jo und Richard Stantons Tochter ihren neunten Geburtstag feierte, war es auch dort eine Weile ziemlich wild zugegangen. Box erinnerte sich, wie er aus dem Fenster seines Schlafzimmers unterm Dach schaute und eine wilde Horde schreiender Mädchen auf dem Rasenviereck nebenan entdeckte. Sie spielten irgendeine Art von Blindekuh, und ihre weißen Kleider flatterten im Wind. Aber am Abend war der ganze Spuk vorbei gewesen.
Box öffnete die Augen und schaute auf die Zimmerdecke mit ihren Wasserflecken. Bilder von einer anderen Geburtstagsfeier kamen ihm in den Sinn. Mark war sechs, vielleicht sieben geworden. Durch die ganze Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, war er so aufgekratzt, daß er über die Stränge schlug – das passiert bei Kindern in dem Alter oft. Vielleicht war es die Aufregung durch die Geschenke oder eine Überdosis Gummibärchen – wer weiß das schon –, jedenfalls drehte der Junge durch. Er fing an zu heulen oder zu brüllen, wenn irgend etwas bei einem Spiel nicht nach seinem Willen lief. Box hatte ihn schließlich gepackt und in sein Zimmer geschleppt. Dort sollte er sich abregen, erklärte Box ihm, dann schloß er ihn ein. Mark war außer sich vor Wut und schrie und schmiß mit Sachen um sich. Das hatte wiederum Box so in Rage gebracht, daß er – statt ihn einfach allein zu lassen – die Tür wieder öffnete. Ein ziemlich massiver Spielzeuglaster flog ihm entgegen. Box griff sich den Jungen und versetzte ihm ein paar Klapse auf den Hintern. Nicht unkontrolliert. Nur ein paar Klapse mit der offenen Hand.
Box seufzte und wälzte sich auf die Seite. Er atmete tief ein und langsam wieder aus. Selbst jetzt noch, im Bett, waren seine Schultern verkrampft und hochgezogen. Liz stöhnte und drehte sich zu ihm.
»Soll ich die Polizei rufen?«
Box knurrte. »Wie letztes Mal? Die sagen ihnen doch nur, sie sollen es leiser stellen, und sobald sie abgezogen sind, dreht irgendein versoffener Blödmann wieder auf.«
Autos hielten vor dem Haus. Er hörte die Türen zuschlagen, ein Kontrapunkt zu den wummernden Bässen. Lautes Lachen, Mädchenschreie und ein betrunkenes Hallo. Obwohl die Herbstnacht kühl war, schien im Nebenhaus jedes Fenster und jede Tür offenzustehen.
Box schlug die Decke zurück und schwang seine Beine über die Bettkante. Er schlief immer nackt, und es war kalt im Zimmer. Wie in jedem dieser alten Häuser gab es so gut wie keine Isolierung. Er machte das Licht nicht an, sondern orientierte sich am Lichtschein, der durch den Spalt im Vorhang drang, um seine Unterhose und Jeans anzuziehen. Er streifte sich einen alten Kapuzenpulli über, den er manchmal bei der Arbeit trug.
Liz knipste die Nachttischlampe an. Auf den Ellbogen gestützt, schaute sie ihm zu.
»Das ist keine gute Idee, Box.«
»Was?«
»Was auch immer du da vorhast.«
»Wir brauchen unseren Schlaf.«
»Ich kann wahrscheinlich sowieso nicht schlafen.«
»Ich möchte das mindestens selbst
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