Settlers Creek
trug Pop das Reh zu dem Baum und zog es mit dem Flaschenzug an den Hinterbeinen hoch. Box sah, wie penibel er darauf achtete, sich nicht mit Blut zu bespritzen. Als das Reh dann hing, benutzte sein Großvater das Messer mit routinierter Gewandtheit: Er schnitt am Rückgrat entlang das Fell auf und zog die Haut zur Seite, so daß der Rücken freilag. Pop schnitt rechtwinklig an der Wirbelsäule entlang und zog die Filets mit der Hand vom Knochen.
Während sein Großvater das Reh zerlegte, erklärte er Box auf seine langsame, wortkarge Art, was er da tat und weshalb es so am besten war. Er wog seine Worte sorgfältig, um ja keines zu vergeuden.
Die Morgenluft war nach dem Regen sehr klar. Box roch das Blut und schärfer noch die Innereien des Tiers. Die Herbstsonne wärmte seine Kleider und trocknete das Buschhemd, das ein wenig feucht geworden war, als er auf der Lauer lag.
Sein Großvater legte das herausgeschnittene Fleisch sorgfältig auf Stücke von Klarsichtfolie, die Box auf dem Boden ausgebreitet hatte. Als er das eßbare Fleisch entfernt hatte, ließ Pop den ausgeweideten Kadaver herunter. Er zog die Haken heraus und wischte sie an einem Grasbüschel ab, dann rollte er die Nylonschnur auf, bevor er alles wieder in seinem Rucksack verstaute.
»Und was machen wir damit?« fragte Box und zeigte auf die blutige Masse aus Knochen und Muskeln.
»Das lassen wir einfach liegen. Wildschweine und Vögel fressen das blank. In ein paar Tagen ist nichts mehr übrig.«
Sie teilten das verpackte Fleisch zwischen sich auf. Box steckte seinen Anteil unten in den Rucksack und verteilte dann seine Kleider und den verbliebenen Proviant darauf. Er schaute sich um, ob sie auch nichts liegengelassen hatten. Nein, alles war verstaut.
Der Rucksack wog schwer auf seinen Schultern, als sie nun schräg über den Abhang aufstiegen. Sie brauchten zwanzig Minuten, bis sie den Kamm erreichten. Dort hielt sein Großvater inne und sah über das Land; Box tat es ihm nach. Die Luft war frisch und klar. Unter ihnen verengte sich das Tal, der Fluß schnitt in Granit. Es war die erste Maiwoche, doch es hatte noch nicht geschneit. Auf den Berggipfeln im Westen schimmerten die hellen Geröllfelder bis hinab zur Baumgrenze, und unter ihm, an der Südseite des Tals, lag der Südbuchenwald noch in tiefem Schatten. Der Fluß schlängelte sich durch die Bäume. Box sah die großen Granitblöcke, zwischen denen das Wasser weiß aufschäumte. Von seinem Standpunkt aus konnte er auch nach Osten sehen, wo sich das Tal öffnete und in weites Grasland überging, durchsetzt von Ginsterbüschen und Lupinen.
Box hatte nur ein Reh geschossen und des Fleischs wegen, nicht wegen einer Trophäe oder sonst etwas, aber dennoch würde Paul neidisch sein. Box sog den Anblick der Landschaft geradezu in sich ein, damit er sich später daran erinnerte. Dann wandte er sich um und folgte seinem Großvater. Sie begannen ihren dreistündigen Marsch zurück zum Auto.
***
Es war früher Abend, als Pop die letzte Kurve der Auffahrt nahm. Box wunderte sich, als er ein halbes Dutzend Autos vor dem Haus stehen sah. Er erkannte den blauen Ford der Turners. Und Reverend McKellars Mini, ein überdimensionierter Brotkasten, parkte halb auf dem Rasen. Es sah so aus, als wären die meisten Familien der Bucht da. Zuerst dachte Box, die Leute wären gekommen, um mit ihm sein erstes selbstgeschossenes Reh zu feiern, und er stellte sich vor, wie er großzügig die verpackten Fleischstücke unter ihnen verteilte.
Doch sein Großvater hatte geflucht, was er fast nie tat. Box schaute ihn von der Seite an und sah, wie sich seine Züge verhärteten. Er hielt den Pritschenwagen mitten in der Auffahrt an, sprang hinaus und rannte beinahe die Treppen hoch, zögerte dann aber an der Tür, die offenstand, als hätte er Angst, das Haus zu betreten.
Box saß noch im Auto und konnte sich keinen Reim darauf machen, was da vorging. Verwirrt sah er zu, wie Pop endlich ins Haus trat.
Box fand alle im Musikzimmer versammelt. Er konnte sich nicht erinnern, jemals mehr Menschen dort gesehen zu haben, nicht mal an Weihnachten. Dee sah ihn im Eingang stehen und kam zu ihm rüber. Sie faßte ihn sacht an der Schulter und führte ihn in die Küche, wo sie sich mit ihm an den Tisch setzte. Als sie sprach, war ihre Stimme kaum zu erkennen.
Box hörte zu, was sie ihm sagte. Tatsächlich war es recht simpel: Paul hatte am Abend zuvor das Ruderboot genommen. Er war nicht zurückgekehrt.
»Aber ...«
»Kein
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