Setz dich über alles weg
Fremdartiges durchzumachen hat — eine
sogenannte Operation.
Draußen im Korridor ließ sich die
leise, bedächtige Stimme eines Arztes vernehmen. Gesprächsfetzen drängten sich
in mein Bewußtsein. »Septicaemia-embolus — anästhetische Lungenentzündung —
Obduktionsbefund.«
Zwei Stunden lang schwankte ich
zwischen schwelender, hilfloser Wut auf die sachliche, rücksichtslose
Mentalität der Mediziner und kalter Furcht vor dem Krankenhaus.
Wieder kam eine Schwester herein.
»Guten Abend, Mrs. Jay. Mein Name ist O’Connel. Alles ist gut gegangen. Möchten
Sie eine Tasse Kaffee haben? Der Herr Doktor wird jetzt aus dem Operationssaal
heruntergebracht.«
»Danke, nein. Soll ich in den
Besuchsraum hinuntergehen?«
»Nein, bleiben Sie ruhig sitzen!« Sie
wandte sich einer anderen Pflegerin zu, die gerade eine komplizierte
Maschinerie hereinrollte. »Stellen Sie den Apparat an die andere Bettseite,
Miss Nelson! So ist es recht. Die Pflegerinnen werden gleich hier sein.« Ich
schluckte mühsam. Nur schwerkranken Patienten werden Spezialpflegerinnen
zugeteilt.
»War es denn keine Routineoperation,
Miss O’Connel? Braucht er Spezialpflegerinnen?«
»Wozu ist man Arzt, wenn man dann nicht
auch besonders gut bedient wird?« Sie riß das Bett auseinander und begann es
frisch zu machen. »Es ist nur für ein paar Tage. Sobald es sich um
Retrocekalpatienten handelt, fordert Dr. Marsh Spezialpflegerinnen an. Der
Sicherheit halber!«
Die Tür ging auf, und Jim wurde
hereingerollt. Er war grau im Gesicht, rang nach Atem und stöhnte. Alles begann
sich um mich zu drehen. Wäre ich ein gewöhnlicher Laie gewesen, würde sich
jemand die Mühe gemacht haben, mich wegzuschicken. Aber ich war die Frau eines
Arztes, deshalb hielt man es für ausgemacht, ich müßte Krankenpflegerin gewesen
und durchaus mit dem heiseren Stöhnen eines Patienten vertraut sein, der aus
der Narkose erwacht. Der eklige, welke Äthergeruch glitt in Wellen über mich
weg. Jim wurde von dem Operationswagen heruntergehoben und aufs Bett gelegt. Er
kam mir fremd vor, wie er so regungslos und schlaff in den Kissen lag und
röchelnd atmete, das Gesicht fleckig, die Lippen blau. Dr. Marsh kam herein, er
hatte noch den Operationsmantel an und die Chirurgenmütze auf, die Maske hing
ihm um den Hals. Er winkte mich in den Korridor hinaus.
»Der Appendix war retrocekal, hoch
unter den Rippen — deshalb hat die Operation so lange gedauert. Alles ging
glatt. In etwa einer Stunde wird er wieder zu sich kommen. Ich habe drei
Spezialschwestern bestellt. Kein Grund zur Beunruhigung, aber ich will in
seinem Fall vorsichtig sein! Gehen Sie jetzt eine Tasse Kaffee trinken und
kommen Sie später wieder. Bleiben Sie dann nur ganz kurz! Er wird die meiste
Zeit schlafen.« Er legte tröstend den Arm um meine Schulter. »Machen Sie sich
keine Sorgen! Er braucht nichts als Ruhe und gute Pflege. Wir behalten ihn etwa
eine Woche lang hier, dann können Sie ihn nach Hause schaffen lassen und
ordentlich verwöhnen.«
Eine Pflegerin blieb neben uns stehen.
Sie sah genauso forsch und tüchtig aus wie ihre Kolleginnen. »Miss Wayne — Mrs.
Jay.« Ich nickte stumm. Sie gingen miteinander durch den Korridor, Dr. Marsh
gab ihr seine Weisungen, während er die Bänder des Operationsmantels
aufknüpfte. Als ich in den Aufzug stieg, zitterten meine Beine dermaßen, daß
ich mich kaum aufrecht halten konnte, und der Anblick einer Frau, die sich,
leise und verzweifelt weinend, gegen die Wand des Aufzuges lehnte, trug nicht
eben dazu bei, meine Stimmung zu verbessern.
Als ich am Empfangsschalter vorbeikam,
begrüßte mich Miss MacFarlane frisch und munter. »Es ist alles halb so schlimm,
nicht wahr? Die Operation ist überstanden, und die Sache ist in Ordnung. Laufen
Sie doch über die Straße und trinken Sie eine Tasse Kaffee!«
Ich kaufte einige Rosen — die Sorte,
die Jim mir immer geschickt hatte — , ein Paket Zigaretten und etliche Bücher.
Als ich im Schaufenster des Sportgeschäfts die neuen Hanson-Blinker sah, liefen
mir die Tränen über die Wangen.
Dann war ich wieder im Krankenhaus. Als
ich zur Tür hereinkam, hörte ich Jim mit etwas schwerer Zunge, aber in raschem
Tempo auf Miss Wayne einreden: »Es ist mir total gleichgültig, ob ich soll oder
nicht soll — ich will sie nicht haben und ich nehme sie nicht! Hallo, Mary — du
siehst ganz grün aus — bitte, bestellen Sie Kaffee für meine Frau, Miss Wayne!
— ich will sie nicht haben — und damit
Weitere Kostenlose Bücher