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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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basta!«
    Miss Waynes martialische Miene war
unerbittlich. »Dr. Marsh hat die Spritze verordnet, Herr Doktor. Es steht auf
der Tabelle.« Sie rümpfte die Nase, ihr Häubchen wackelte bedrohlich.
    »Zeigen Sie mir die Tabelle! Ich will
jetzt keine Spritze haben. Die Schmerzen sind noch nicht so schlimm — «
    »Bedaure, Herr Doktor! Sie wissen doch,
daß ich Ihnen die Tabelle nicht zeigen darf.« Sie reinigte mit dem Tupfer eine
Stelle auf Jims Arm und griff nach der Injektionsspritze. »Ich will sie nicht
haben — ich will nicht...« Auf Zehenspitzen verließ ich das Zimmer. Einen
Augenblick später kam Miss Wayne hinterher mit den Blumen, die ich Jim
mitgebracht hatte. Sie ging mit mir durch den Korridor, holte eine plumpe Vase
aus dem Geschirrschrank, stopfte die Rosen hinein, bis nur noch die leuchtenden
Köpfchen sehnsüchtig über den Rand guckten, und sagte: »Soll ich Ihnen ein
Butterbrot und eine Tasse Kaffee bestellen, Mrs. Jay? Es wäre mir ein
Vergnügen.«
    »Danke, nein! Was soll ich machen? Mir
ist das alles so fremd — das Krankenhaus und die Operation! Ich möchte mich
möglichst richtig verhalten und nicht zur Last fallen. Kann ich helfen? Ich
wüßte zwar nicht, wie.«
    Sie sah mich mitleidig an und lächelte.
»Ich will Ihnen sagen, was Sie meiner Meinung nach tun sollten! Schauen Sie
sich einen guten Film an, essen Sie nachher ein Sandwich und trinken Sie eine
Tasse Kaffee — momentan haben Sie wahrscheinlich keinen Appetit — und kommen
Sie dann um sechs wieder her. Der Herr Doktor ist noch etwas benebelt. Um sechs
wird er sich wohler fühlen und wird Sie sehen wollen.«
    Ich rief meine Mutter an und teilte ihr
mit, es sei alles gut gegangen. Dann befolgte ich Miss Waynes Ratschläge. Um
fünf Uhr war ich wieder im Krankenhaus. Miss Wayne ging in den Korridor hinaus,
um mich mit Jim allein zu lassen. Sowie sie die Tür hinter sich zugemacht
hatte, sagte er: »Wo bist du gewesen? Ich habe heute früh zwanzigmal im Büro
angerufen, um dir zu sagen, daß Marsh mich operieren wird, aber ich konnte dich
nicht erreichen. Wo kommst du her?«
    Ich konnte doch nicht antworten: ›Aus
dem Kino‹ — das hätte etwas zu kaltschnäuzig geklungen. Ich strich ihm über die
Stirn und sagte, heute früh sei im Büro ein furchtbarer Wirbel gewesen, und die
Anrufe aus dem Spital hätten mich nicht erreicht, und wie er sich fühle, gut?
    »Ich würde mich viel besser fühlen,
wenn Miss Wayne mit ihrem ewigen Gequake aufhören wollte. Und ich möchte so
schnell wie möglich aus diesem langweiligen Loch heraus. Lauter dummes Zeug!
Eine ganz normale Blinddarmentzündung! Die operierten Patienten würden sich
viel schneller erholen, wenn sie am zweiten Tag aufstehen dürften. Ich werde
Marsh sagen, er soll mir die Pflegerinnen vom Halse schaffen. Ich will sie
nicht hier herumhocken haben. Husch, husch — und ein ewiges Geraschel — ›Ja,
Herr Doktor!« — ›Nein, Herr Doktor!«...« Mit einem leisen Stöhnen wälzte er sich
ein wenig auf die Seite. Prompt öffnete Miss Wayne die Tür. »Wir wollen jetzt
ein bißchen ruhen — wir sind gerade erst aus der Narkose aufgewacht!« Sie
stopfte das Thermometer wie einen Korken in Jims Mund, lächelte mir zu und
zeigte auf die Tür.
    Er nahm das Thermometer aus dem Mund
und lächelte sein wunderbares, strahlendes Lächeln. »Gar nicht schön, daß du
ohne mich nach Hause gehen mußt! Gute Nacht, Kleines! Geh früh schlafen!«
    Traurig wanderte ich durch den Korridor
zu dem Schlupfloch der Krankenschwestern, um mich nach den Besuchszeiten zu
erkundigen. Zwei junge Pflegerinnen mit weißen Häubchen saßen am
Karthothektisch und studierten eine Tabelle. »Die Wayne ist beim Doktor auf
603. Ich beneide sie nicht. Junge, Junge, sind die ekelhaft, wenn sie selber
krank werden! Eins zu zehn, morgen abend hat er sie schon hinausgeschmissen.«
    »Warst du auf 6, als die Burton
‘rausflog? Und dabei sagt die Wayne, 603 hat heute nachmittag alle Medikamente
abgelehnt. Lieber pflege ich einen Irren als einen Arzt!«
    Ich entfernte mich in der Überzeugung,
es würde ratsamer sein, wenn ich mir die Besuchszeiten von Miss MacFarlane am
Empfangsschalter würde geben lassen. Anscheinend kommt es bei einer Arztfrau
ohnedies nicht so genau drauf an — man kann gehen und kommen, wie man will, das
heißt, es ist erlaubt — sofern man sich nicht darum kümmert, was man zu hören
oder zu sehen bekommt.
    Als ich nach Hause kam, hatte Yuri im
Kamin Feuer gemacht, der Tisch war

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