Setz dich über alles weg
Hause haben‹ — und knirschte mit den
Zähnen. Diese Arbeit würde kein anderer Sterblicher beenden können!
Wenn Jim meinte, daß es damit getan
sei, lustige Verslein zu zitieren, irrte er sich gewaltig. Er würde etwas tun
müssen. Ich rief ihn von dem oberen Apparat aus an, erklärte, schließlich und endlich
habe er diese Heinzelmännchen engagiert, er müsse sofort nach Hause kommen und
nach dem Rechten sehen.
Um halb zwei erschien Jim, ging in die
Küche hinaus und sagte: »Könnt ihr bis Freitag abend die Türen und Fenster
eingesetzt haben? Fein! Ist zum fünfzehnten April alles fertig — bis auf den
Außenanstrich? Fein! Legt bis heute abend den Boden — morgen wird das Linoleum
gelegt! Ich weiß es zu schätzen, daß ihr euch soviel Mühe gegeben habt, aber
der Krempel muß jetzt weg! Es findet nämlich ein Medizinerkongreß statt — so! —
und jetzt muß ich in meine Praxis zurück. Auf Wiedersehen!«
Als Jim an diesem Abend zu Bett ging,
sagte er: »Verdammt sonderbar! Das blaue Pulver hat die Schaben offenbar
ausgerottet. Ich muß Dick fragen, was es war. Weißt du, Mary, wenn man die
ganze Zeit mit den Arbeitern plaudert, kommen sie nicht vorwärts!«
Ich erwiderte scharf, wenn es diese
Arbeiter durch irgendein Wunder zustande brächten, lange genug aus dem
Krankenhaus wegzubleiben, um bis zum Herbst fertig zu werden, würde ich nie
wieder — Gott sei mein Zeuge! — einem dankbaren Patienten erlauben, in unserem
Haus auch nur einen Nagel einzuschlagen. In meinem ganzen Leben hätte ich nicht
solch ein Rudel neurotischer Waschlappen beisammen gesehen. Den ganzen Tag
unterhielten sie sich nur über ihre Symptome, ihre Krankheiten und ihre
Allergien. Nur ich hätte eine echte Allergie — nämlich gegen dankbare
Patienten, die überall ihre Werkzeuge herumliegen lassen, sämtliche Türen und
Fenster aushängen und sich dann hinsetzen, um Gott weiß wie viele Monate lang
zu Gott weiß welchem Stundenlohn ihren hypochondrischen Grillen nachzuhängen...
Jim sagte: »Natürlich bist du daran
schuld!«
»Ich bin schuld!« sagte ich empört.
»Ja, du hast Mitleid mit ihnen. Und du
bist die Frau eines Arztes. Pack die Kinder zusammen und zieh zu deiner Mutter!
Ich werde dafür sorgen, daß sie bis zum fünfzehnten April verschwunden sind.«
Ich zog zu meiner Mutter — und sie
waren am fünfzehnten April verschwunden.
13
Die erfrischende Menopause
»Challo — is Cherr Doktor zu Chause —
njet, niemand kann mir chelfen — mein Mann is so schlecht, vill, vill
schlechter — ich glaube, er stirbt. Wie geht es Sie und die Kinder?«
Ich klemmte den Hörer unters Ohr, ein
Trick, den mir der Telefonmechaniker gezeigt hatte, seufzte und fuhr fort, das
Frühstücksgeschirr abzuwaschen. Man konnte sich darauf verlassen, daß Mrs.
Ilshenskys morgendlicher Anruf eine volle Stunde dauern würde.
Ihre melancholische gutturale,
slawische Stimme veränderte ihren tief tragischen Ton nicht um ein Jota, als
sie mir von dem russischen Basar zu erzählen anfing. Es käme massenhaft Geld
ein, Olga verkaufe ihre Pärlen und ihren neien Zobelhutt — nicht so gutes
Zobel, wie man zu Hause hat, aber warmes! Ihre Kinder seien schräcklich
verkielt — wahrscheinlich wieder einen Lungenentzindung — sie seien auch so-o
klein und so-o schwach. Stravinsky könne sie nicht hören — sovill Heimweh! Sie
schloß mit der Bemerkung, ihr selber gehe es »serr scheen« bis auf das
schreckliche Leiden, würde der Cherr Doktor bitte so lieb sein und kommen und
sich das Cherz ihre Mannes sehen? Und sie hätte so-o vill zu tun, sie müsse
jetzt abhängen...
Inzwischen war ich mit dem Abwaschen
fertig geworden und hatte das Suppengemüse geschnitten.
Alles in Mrs. Ilshenskys Leben war ›schräcklich‹.
Die Kinder erkälteten sich, weil das Haus ›wie Sibirien ohne Welfe‹ sei. An dem
Herzleiden ihres Mannes seien die Vereinigten Staaten schuld, er sei
›deprimiert‹ — ›es bricht ihm das Cherz, weil alle englisch reden‹. Gemessen an
Mr. Ilshenskys Lebenslauf war diese eigensinnige Gewohnheit der Amerikaner, nur
eine einzige, nämlich die eigene Sprache zu sprechen, ohne Zweifel als ein
Zeichen unheilbarer Phantasielosigkeit anzusehen, aber schwerlich für seine
Angina pectoris verantwortlich zu machen.
Mr. Ilshensky war in Rußland zur Welt
gekommen. Sein Vater war Russe, seine Mutter war Dänin. Seine Familie hatte bis
zu seinem zehnten Lebensjahr in Rußland gelebt und war dann nach
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