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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Küchentisch
und auf dem Tisch eine viereckige, schwarze Schachtel, von zwei Scheinwerfern
beleuchtet.
    Lächelnd erschien Betsy auf der
Plattform. Das Publikum klatschte begeistert, die Vernachlässigten waren
entsetzt. So mager! Die Sommersprossen auf ihrem Gesicht traten dunkel hervor.
Während sie redete, fielen die tiefen, dunklen Falten zu beiden Seiten des
Mundes immer mehr auf. Das Scheinwerferlicht betonte die Ringe unter den Augen.
    »Dieses Jahr kommen wir mit etwas
Neuem...« Betsy beugte sich vor und stellte einen Kupfertopf auf den Tisch.
    »Ich möchte bloß wissen, womit — «,
murmelte Faith hinter der vorgehaltenen Hand. »Sie sieht aus wie der
aufgewärmte Tod — was um Gottes willen ist los mit ihr?«
    Wir schüttelten die Köpfe und
beobachteten Betsy.
    »Dieses Jahr sind wir zu viert — jeder
repräsentiert einen anderen Stil. Die Blumenarrangements werden versteigert, um
das Geld für die neuen Krankenhausbetten zusammenzubringen. Wir brauchen
fünfzehnhundert Dollar, wissen Sie.«
    Ein deutlich vernehmbares Gemurmel:
»Wir wollen niemand anders als Betsy Brandt!«
    Betsy lächelte. »Bestimmt haben es alle
schon satt, mich sagen zu hören: »Man nehme eine Chrysantheme^« Sie band ein
bunt leuchtendes Arrangement aus Weizenähren, dunkelroten Chrysanthemen, einer
braunen Ampfersamenschote und zwei orangeroten Dahlien. Als sie es herumdrehte,
schnappten alle nach Luft. »Wenn Sie keinen Kupfertopf haben, tut’s auch ein
Sirupkrug.« Fünfundzwanzig Dollar für das Kinderkrankenhaus. Die stolze
Höchstbieterin zog mit ihrer Beute ab.
    »Für ein kaltes Büfett — « Betsy nahm
ein flaches, mit Goldpapier überzogenes Brett und stellte eine leere, ovale
Lachsdose darauf. »Das ist eine leere Lachsdose — hübsche Form, nicht?« Das
Publikum lachte. »Gegen Ende der Saison pflegt meine Familie den Büchsenhals
überzuhaben...« Scharlachrote und goldgelbe Chrysanthemen, goldgelbes
Eichenlaub, Weizenähren und fünf dunkelbraune Kerzen. Das Ganze machte einen
improvisierten und zugleich prächtigen Eindruck wie eine Herbstwiese in
wechselndem Sonnenschein. Betsy war sich ihrer persönlichen Anziehungskraft und
erlesenen Kunstfertigkeit nie bewußt gewesen, ebensowenig wie eine ihrer
zottigen Chrysanthemen, aber ihre für gewöhnlich lebhafte, warme Stimme klang
jetzt matt und erschöpft. »Alles bis auf die Kerzen stammt aus dem Garten oder
dem Baugrund. Ich habe immer das Gefühl« — sie schwankte ein wenig und hielt
sich an der Tischkante fest — , »daß es eine Art Betrug sei, Blumen aus dem
Blumenladen zu verwenden, besonders hier draußen, wo es eine solche Fülle von
Material gibt.«
    Stürmisches Händeklatschen. Fünfzehn
Dollar für das Kinderkrankenhaus.
    »Sie sieht aus, als wollte sie
ohnmächtig werden«, murmelte Faith. »Lache, Bajazzo!«
    Betsy setzte sich auf die Kante des
Podiums, so nahe, daß wir ihr zuflüstern konnten: »Was ist los mit dir? — Bist
du krank?«
    Seufzend strich sie sich mit der Hand
über die Stirn. »Müde! Wenig geschlafen — im Zug, im Hotel. Wollen sehen, wie
sie es anpackt!« Sie drehte sich um und sah ihrer Nachfolgerin zu.
    Maggie legte die Hand an den Mund. »Sie
ist dürr wie ein gerupftes Huhn, die Arme!«
    Eine hochelegante Frau führte mit
steifer Miene ein formvollendetes Arrangement vor — Feuerlilien für zwanzig
Dollar und eine weiße Jadevase. Es war genauso kalt und berechnend wie der
Ausdruck ihrer Augen, brachte nur fünf Dollar und spärlichen Applaus ein. »Ihr
solltet ihr Haus sehen — gemütlich wie ein Eiskasten!« murmelte Betsy.
    Eine nervöse, kleine Frau trat an die
Stelle der Jade-Dame. Sie hatte einen rosa Federhut, einen hellblauen Mantel
und verlegene Manieren. Mit Hilfe einer knorrigen Staude und unter vielem Hin
und Her brachte sie schließlich ein struppiges, rosablaues Arrangement
zustande, das ebenso verwaschen wirkte wie ihr glanzloses, blondes Haar und
ausdrucksloses Gesicht. Aus reinem Mitleid wurde bis zu zehn Dollar geboten.
    Betsy lieferte die zehn letzten
Arrangements, von denen jedes fünfundzwanzig Dollar einbrachte, und erklärte
sich bereit, den Anwesenden behilflich zu sein. Sie brauchten nur anzurufen, wenn
sie mit einer Blume, einer Vase oder einem totalen Mangel an Einfällen nicht
zurechtkämen. Sofort wurde sie von einer Schar bewundernder Frauen umringt, und
wir schlichen durch die Seitentür davon, um draußen auf sie zu warten.
    »Was machen wir? Sie sieht schrecklich
aus. Wenn man eine

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