Seuchenschiff
plötzlich eilig und entfernte sich im Laufschritt in die entgegengesetzte Richtung.
»Hey!«, rief Linda. »Stopp!«
Sie verfolgte ihn, Mark blieb ein oder zwei Schritte hinter ihr.
»Nein«, hielt Linda ihn zurück. »Schau nach, ob da unten noch mehr von ihnen sind.«
Mark machte kehrt und eilte zurück, während Linda die Verfolgung allein fortsetzte.
Der Flüchtige hatte einen Vorsprung von sechs, sieben Metern und etwa fünfzehn Zentimeter längere Beine. Diese Vorteile schienen ihm jedoch nur wenig zu nützen, denn Lindas Entschlossenheit, ihn einzuholen und festzuhalten, war einfach um einiges größer als die Fähigkeit seines Körpers, ihr zu entkommen. Sie holte seinen Vorsprung schnell auf, rannte um Gangbiegungen herum, ohne langsamer zu werden, und bewegte sich dabei mit der Leichtigkeit einer Gazelle, jedoch gleichzeitig mit der Entschlossenheit einer Raubkatze auf Beutejagd.
Er vergrößerte den Abstand, als sie eine Treppe hinaufstürmten. Er konnte immer drei Stufen auf einmal nehmen, während sich Linda mit zweien zufriedengeben musste. Sie passierten einige erschrockene Angestellte. Linda wünschte sich mehr als alles andere, um Hilfe rufen zu können, aber damit müsste sie zuallererst ihre eigene illegale Anwesenheit auf dem Schiff erklären.
Der Mann schlüpfte durch eine Türöffnung, und als Linda sie kurz darauf erreichte, schürfte sie sich den Arm auf, so knapp nahm sie die Kurve.
Sie sah die Faust nicht kommen. Er erwischte sie genau an der Kinnspitze. Obwohl der Mann kein trainierter Kämpfer war, reichte der Treffer aus, Lindas Kopf nach hinten sacken zu lassen und sie gegen die hintere Wand zu schleudern. Er blieb gut eine Sekunde vor ihr stehen, ehe er weiterrannte, während sie gegen eine aufwallende Ohnmacht ankämpfte.
Bevor sie sicher war, wieder halbwegs bei Sinnen zu sein und klare Sicht zu haben, war sie schon wieder auf den Füßen und ihm auf den Fersen, wobei sie bei jedem Schritt benommen schwankte.
»Ich werde dir helfen, eine Frau zu schlagen«, murmelte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Sie gelangten auf den Broadway, den langen zentralen Korridor, der sich fast über die gesamte Länge des Schiffes erstreckte und von der Mannschaft benutzt wurde, um von den Kabinen zu den jeweiligen Arbeitsplätzen zu gelangen. Einige künstlerisch begabte Mannschaftsmitglieder hatten sogar Markisen gebastelt – ähnlich der auf jener berühmten Straße in New York, der auch dieser Korridor seinen Namen zu verdanken hatte.
»Achtung. Notfall.«
Linda konnte den Ruf des Mannes hören, als sie sich durch das Gedränge der Arbeiter wühlten, die entweder zu ihren Einsatzorten unterwegs waren oder nur untätig herumstanden und miteinander schwatzten. Er bewegte sich wie eine Schlange durch die Menge, wich Leuten aus, schob sich an ihnen vorbei und vergrößerte den Abstand zu seiner Verfolgerin, während Linda das Gefühl hatte, ihr Kopf würde jeden Augenblick explodieren.
Er warf sich durch eine weitere Seitenöffnung und nahm die nächste Treppe in Angriff. Linda stieß die Tür fünf Sekunden nach ihm auf. Sie benutzte das Geländer, um sich Stufe für Stufe hochzuziehen. Sie warf sich regelrecht um jede Ecke, weil sie wusste, dass sie sich dem Passagierbereich näherten. Wenn der Typ clever war und sich auf dem Schiff auskannte, würden sie in der Nähe seiner Kabine herauskommen. Und wenn Linda nicht mitbekäme, in welcher Kabine er verschwand, würde sie ihn auch nicht wiederfinden.
Er brach durch die Tür am oberen Ende der Treppe, brachte eine ältere Frau zu Fall und stieß deren Ehemann aus seinem Rollstuhl. Dann verlor er wertvolle Sekunden, um sich von dem Ehepaar zu befreien. Linda flog durch die Tür, ehe die elektronische Mechanik sie automatisch schließen konnte. Ihr Gesicht verzog sich zu einem wilden Grinsen. Sie befanden sich auf dem oberen Deck in der Nähe des Atriums.
Der Mann drehte sich um und sah Lindas Gesicht nur ein paar Schritte hinter sich. Er beschleunigte seine Schritte und strebte zu der eleganten Treppe, die sich um die beiden gläsernen Fahrstühle wand. Für die Passagiere gab es im oberen Stockwerk des Atriums nur wenige Attraktionen. Die Läden und Boutiquen befanden sich eine Etage tiefer, und auf den unteren Decks herrschte gewiss viel mehr Betrieb. Linda hatte schon vorher Wächter vor den Juwelierläden des Schiffes gesehen, und sie konnte nicht darauf vertrauen, dass der Sicherheitsdienst eingriff.
Sie hatten die Treppe fast
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