Seuchenschiff
ging jedoch noch einen Schritt weiter. Ihm zufolge wandern nicht nur Quanten zwischen den Universen hin und her. Er war auch der Auffassung, dass eine Intelligenz von einer anderen Membrane die Menschen in unserer Dimension beeinflusst. Diese Intelligenz, so meinte er, bestimme unser Dasein auf eine Art und Weise, von der wir nichts bemerken. Sie sei die Ursache allen Leids. Kurz vor seinem Tod begann Cooper Techniken zu entwickeln, um diesen Einfluss zu begrenzen, und lehrte Möglichkeiten, uns vor dieser fremden Macht zu schützen.«
»Und die Leute haben diesen Quatsch tatsächlich geglaubt?«, fragte Max und dachte voller Sorge an seinen Sohn.
»Und wie. Versetzt euch doch nur mal für einen Moment in ihre Lage. Es ist nicht die Schuld des Gläubigen, dass er unglücklich oder deprimiert oder ganz einfach dumm ist. Sein Leben ist ein Spielball zwischen den verschiedenen Membranen im Raum. Es ist einem fremden Einfluss zuzuschreiben, dass man nicht befördert wird oder seine Traumfrau nicht findet. Es ist eine kosmische Macht, die das verhindert, nicht die eigene Unfähigkeit. Wenn man davon überzeugt ist, braucht man für sein Leben auch keine Verantwortung zu übernehmen. Und wir alle wissen ja, dass niemand mehr bereit ist, für seine Handlungen und ihre Folgen einzustehen. Der Responsivismus liefert einem eine universelle Rechtfertigung für die falschen Entscheidungen, die man in seinem Leben trifft.«
»Wenn ich mir die Leute so ansehe, die Fastfood-Konzerne verklagen, weil sie übergewichtig sind, kann ich gut nachvollziehen, welcher Reiz von einer solchen Idee ausgeht«, sagte Juan. »Aber was hat das damit zu tun, dass jemand ein Schiff voller Responsivisten versenkt?«
Mark blickte ein wenig verlegen drein. »Ich habe das Ganze noch nicht richtig durchdacht, aber was ist, wenn es stimmt«, seine Stimme wurde hektisch, »dass irgendein Alien von einer anderen Membrane sich mit einem anlegt, der auf unserer Membrane gefangen ist, und wir sozusagen zwischen den Fronten stehen? Wie Bauern in einem kosmischen Schachspiel?«
Cabrillo schloss die Augen und seufzte gequält. Marks Verrücktheit gewann wieder mal die Oberhand über seinen brillanten Geist. »Ich will das mal als Gedankenspiel betrachten, aber vorläufig sollten wir uns an irdische Gegner halten.«
Mark wandte sich im Flüsterton an Eric. »Als wir gestern darüber sprachen, klang das alles viel besser, nicht wahr?«
»Aber nur, weil wir seit zwanzig Stunden nicht mehr geschlafen und pro Mann etwa dreißig Dosen Red Bull intus hatten.«
Eddie Seng schob sich ein Stück Brot in den Mund. »Könnte diese spezielle Gruppe nicht darum ausgesucht worden sein, weil sie die Sekte verlassen und die Führer ein Exempel an ihnen statuieren wollten? Eric erwähnte vorher, dass Kidnapping dieser Bande keineswegs fremd sei. Was wäre denn, wenn sie mittlerweile den nächsten Schritt – zum Mord – vollzogen haben?«
Max Hanley sah ihn erschrocken an. Tiefe Sorge um Kyles Sicherheit zerfurchte sein Gesicht.
»Das wäre eine Möglichkeit«, sagte Linda, ehe sie Hanleys offensichtliche Qual bemerkte. »Tut mir leid, Max, aber wir müssen so etwas in Erwägung ziehen. Außerdem ist dein Sohn noch ein Neuling. Er wird den Verein sicher noch nicht verlassen wollen.«
»Bist du sicher, dass du an dieser Diskussion teilnehmen willst?«, fragte Juan seinen besten Freund.
»Ja, verdammt noch mal«, schnappte Max. »Es ist nur so, ich weiß nicht, schmerzhaft und beschämend zugleich. Wir reden hier über meinen Sohn, und ich habe das Gefühl, als hätte ich ihn völlig im Stich gelassen. Wenn ich ein besserer Vater gewesen wäre, hätte er sich niemals in eine derartige Gefahr locken lassen.«
Niemand wusste, was er dazu sagen sollte. Erstaunlicherweise war es ausgerechnet Eric Stone, der das Schweigen brach. Da man ihn fast ausschließlich als technisches Ass kannte, übersah man leicht seine menschliche Seite. »Max, ich bin in einem von Gewalt bestimmten Zuhause groß geworden. Mein Vater war ein Säufer, der jeden Tag, wenn er genug Geld für eine Flasche Wodka hatte, meine Mutter und mich verprügelte. Es war eine Situation, wie man sie sich nicht schlimmer vorstellen kann, und trotzdem ist aus mir etwas geworden. Das Zuhause, in dem man aufwächst, bestimmt doch nur zum Teil, wie man sich entwickelt. Vielleicht wäre einiges anders verlaufen, wenn du am Leben deines Sohnes mehr Anteil genommen hättest, vielleicht aber auch nicht. Das kann niemand
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