Sex and Crime auf Königsthronen
vollkommen versiebt. Nicht viel, da dürfen wir uns sicher sein. Immer mehr gilt Lancasters letzter Heinrich nicht als frommer Sonderling, sondern als irrer Schwächling. Vielleicht hat er abends beim Zubettgehen wirklich à la Shakespeare geseufzt: »Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt.«
Als Heinrichs Heere, von denen er sich fernhält, 1450 auch die komplette Normandie verlieren und nur noch Calais den Engländern gehört, erleidet der König einen völligen Nervenzusammenbruch. Er schließt sich in seine Betkammer ein. Die Yorkisten nehmen sich jetzt fest vor, den Thron zu übernehmen und idiotensicher zu machen. Ihr Motto frei nach Shakespeare: »Um ein Königreich bricht man jeden Eid.« Auch den Treueschwur auf einen König.
Herzog Richard von York kämpft sich zum Leiter des Kronrates hoch und ernennt sich zum Hauptregenten in spe. Im Moment des völligen Blackouts von Heinrich Lancaster will er den Thron besetzen. Das Parlament signalisiert Zustimmung. Schließlich hat Heinrich noch immer kein Kind und damit keinen Nachfolger zustande gebracht, und beten allein hilft nicht viel.
Bisweilen hat der Lancaster-Monarch Heinrich zum Ärger der Yorks aber noch lichte Momente. In einem dieser Momente erinnert sich der 30-jährige kinderlose König an zwei völlig unwichtige Angehörige des Lancaster-Clans. Da waren doch noch diese Bastarde aus dem Schoß seiner Mutter Katharina. Seine halbseidenen Brüder, die genauso heißen wie ihr unnützer Vater. Irgendwas mit T.
Taugenichts?
Tausendsassa?
Trittbrettfahrer?
Tunichtgut?
Halt nein, Tudor!
Spaß beiseite. Denn was jetzt kommt, wird bitterer Ernst für ein achtjähriges Mädchen. In Zahlen: 8!
Verlobt mit acht, schwanger mit zwölf – Ein Kind wird Königsmama
Im Jahr 1452 ordnet Heinrich VI. überraschend die Verlobung seines Halbbruders Edmund Tudor mit der reichsten Erbin Englands an. Die heißt Margaret Beaufort, ist gerade mal acht Jahre alt, verfügt aber über ein Jahreseinkommen von tausend Pfund. Heute würde man sie Millionenerbin nennen. Außerdem vereint sie ein paar Schlückchen altes Königsblut plus Mätressen-Gene in sich.
Ihr künftiger Bräutigam Edmund Tudor ist 22 Jahre alt und unvermögend. Darum wird er zum Herzog von Richmond hochgeadelt und erhält ein paar Burgen in Wales. Das ist schon mal mehr, als seine königliche Mutter ihm vererbt hat. Sein Bruder Jasper darf sich über eine Ernennungsurkunde zum Herzog von Pembroke (ebenfalls Wales) freuen. Ihr Erzeuger Owen Tudor kriegt auch ein bisschen was, aber keinen Titel. Ihm hat die Liaison mit Katharina nur die vollen englischen Bürgerrechte eingebracht. Das muss für einen walisischen Schafzüchter reichen.
Mit der Adelung und Legitimierung der Tudorbastarde erweitert Heinrich die Lancasterfamilie um weitere York-Gegner. Die Yorks haben nämlich Massen an Kindern und Verwandten.
Außerdem hofft der König mit der »Adoption« von Edmund und Jasper Tudor, die als kampfeslustig bekannten Einwohner von Wales auf seine Seite zu bringen. Es riecht jetzt nämlich, wir schreiben das Jahr 1452, bereits verdächtig nach Krieg. Die Verlobung ist also ein wichtiges taktisches Manöver. Noch schöner für Heinrich: Der fromme König darf weiter wie ein Mönch Enthaltsamkeit üben, was ihm eben mehr zusagt als Sex und Kinderzeugen. Okay, das war jetzt nicht ganz ernst gemeint.
Von der achtjährigen Margaret Beaufort erwartet er in jedem Fall das Gegenteil. Die Verlobte hat er für seinen Tudor-Halbbruder ausgesucht, weil sie einer Familie von good breeders – guten Brütern – entstammt. Das ist amtlich und so auch in einer historischen Quelle vermerkt. Vielleicht erinnern sich ältere Leser noch daran, dass anno 1985 auch Lady Diana Spencer, später Prinzessin von Wales, vor ihrer Hochzeit von königlichen Gynäkologen ebenfalls auf Jungfräulichkeit und Fruchtbarkeit geprüft wurde. Königliche Traditionen halten sich eben lange.
Schon König Heinrich hat anno 1452 in Sachen Gebärfreudigkeit der Braut richtig kalkuliert. Unmittelbar nach ihrer Eheschließung im Jahr 1455 wird die inzwischen zwölfjährige Margaret Beaufort schwanger. Der Gatte Edmund Tudor ist zu diesem Zeitpunkt fünfundzwanzig Jahre alt und wäre heute wegen Kindesmissbrauchs dran. Damit Sie nun nicht glauben, eine derart frühe Teenagerschwangerschaft sei im Mittelalter der Normalfall gewesen: Kinder gelten mit vierzehn als geschlechtsreif, und bei Königs wurde aus gesundheitlichen Gründen mit der
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