Sex and Crime auf Königsthronen
Fällen erfolgreich verläuft. Einer der Bastarde häuft nach königlichem Vorbild so riesige Spielschulden an, dass die Mama wieder auf die Bühne geht, um ihn vor Bankrott und Schande zu retten.
Das wiederum hat ihr König Wilhelm IV. bei der Trennung – seines guten Rufes wegen – verboten. Darum nimmt er Dorothea die Töchter weg und verbannt sie aus seinem Reich. 1815 stirbt die Mimin und Mätresse verarmt und vergessen in Paris.
Von der unschönen Vernachlässigung einer Geliebten abgesehen hat sich William vor allem politisch in progressiven Bürgerkreisen keine Freunde gemacht. Vehement hat er sich etwa der Abschaffung des Sklavenhandels widersetzt.
Die Nachrufe auf ihn fallen 1837 entsprechend böse aus. Man vergleicht sein Aussehen mit dem einer »explodierenden Ananas«, zitiert genüsslich die Spitznamen, die das Volk ihm verpasst hat, von Sailor Bill bis Silly Billy . Eine Ausgabe der Zeitung Spectator fasst vernichtend zusammen:
Trotz seines schwachen Willens, seiner Engstirnigkeit, seines Mangels an Kultur blieb Wilhelm bis zum Ende populär. Aber nur, weil man ihn so herzlich verachten konnte, nicht, weil man dem Monarchen gegenüber irgendwelchen Respekt empfand.
Eins ist klar: Das muss sich ändern.
Und das tut es auch. Dank Queen Victoria (1819–1901). Da William IV. keinen legalen Erben hinterlassen kann, kommt diese Nichte von König Sailor Bill mit achtzehn Jahren auf den Thron. Als regierungsberechtigte Königin wird sie – unter anderem als erste Kaiserin von Indien – insgesamt 64 Regierungsjahre absolvieren. Was nach wie vor royaler Weltrekord ist.
Ihre größte Publicityleistung besteht darin, wie keine andere Regentin vor ihr ein idyllisches Familienleben zum Markenzeichen englischer Monarchie zu machen. Allerdings erst auf Anraten und Drängen des Parlamentes und keinesfalls aus eigenem Antrieb. Queen Victoria hätte ihr Privatleben nämlich ganz gern für sich behalten, und so richtig fit für den Thron war auch sie zu Anfang nicht. Nichtsdestotrotz wird die 1,52 m kleine Monarchin am Ende des 19. Jahrhunderts geradezu verehrt wie eine Heilige, und vom Schuhcremeproduzenten bis zum Streichholzfabrikanten nutzt jeder fleißige Fabrikant Queen Vicky als werbewirksames Aushängeschild und zwecks Produktpropaganda.
Queen Victoria schließt die Augen und denkt nicht an England
In unser kollektives Gedächtnis hat sich die in jungen Jahren hübsch dunkelhaarige Prinzessin Alexandrina Victoria von Kent, die bis zum dritten Lebensjahr nur deutsch spricht, als humorfreie, ausgesprochen korpulente und sehr britische »schwarze Witwe« eingebrannt.
Ihre ersten Lebensjahre sind geprägt von Lieblosigkeit. Ihr Papa stirbt, als Victoria gerade mal acht Monate alt ist. Ihre Mama, eine deutsche Prinzessin und Herzogin von Kent, bleibt hoch verschuldet zurück. Man behandelt die kleine Victoria als kostbare Thronerbin fortan wie ein rohes Ei. Noch nicht einmal eine Treppe darf sie allein hinuntergehen, geschweige denn springen. Victoria muss bis zu ihrem 18. Lebensjahr in Mamas Schlafzimmer nächtigen.
Doch ihre Mutter, die Herzogin von Kent, ist eher beste Feindin als beste Freundin. Sie gesellt dem Töchterchen ihren Geliebten John Conroy als eine Art elektronische Fußfessel bei. Der bürgerliche Höfling kontrolliert die Prinzessin Victoria auf Schritt und Tritt.
Gern will der ambitionierte Aufsteiger die Thronerbin bis zum 25. Lebensjahr unmündig halten. Conroy will gern selbst die Regierungsgeschäfte übernehmen. Am Ende muss er sich dank Victorias Mama mit einem portugiesischen Adelstitel und einem Pseudoamt begnügen.
Das britische Parlament und Victorias royaler Onkel Leopold I., König von Belgien, sorgen dafür, dass die 18-Jährige direkt nach dem Tod von Sailor Bill im Jahr 1837 ans Ruder darf, um mit Britannia die Wellen zu regieren. Also denn: Rule Britannia, Britannia rule the waves, Britons never, nerver shall be slaves!
Die junge Victoria zieht in den Buckingham Palace und exiliert ihre Mutter in den vornehmen Stadtteil Belgravia. Jetzt kann ihr Leben endlich losgehen! Drei Jahre lässt die junge Queen kein Vergnügen aus. Sie reitet, tanzt, besucht Ballett und Oper. Das Regieren überlässt sie Premierminister Lord Melbourne, der heftig mit ihr flirtet – und sie mit ihm. Mehr läuft allerdings nicht zwischen beiden, denn früh verguckt sich die junge Queen bei einem Besuch in Belgien in ihren deutschen Cousin Albert von Sachsen-Coburg.
Drei Jahre später, 1840,
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