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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Tat. Noch dazu frei verkäuflich und überall zugänglich.
    Zu Prinnys Lebzeiten sorgt eine hohe Drucksteuer dafür, dass es sich nicht lohnt, Klatsch als Massenware zu produzieren und unters einfache Volk zu bringen.
    Die »Times« füllt die Marktlücke, und das Gelesene wird fröhlich weitergeklatscht bis hinunter in des Volkes Pubs. Auf eine Ausgabe, so schätzen Zeitgenossen damals, kommen mindestens dreißig Leser und Klatschmäuler, die alles per Mundpropaganda weitergeben. Und jeder merkt sich das, was ihn am meisten reizt, erregt und empört.
    Bereits 1820 – also zehn Jahre vor Prinnys Tod – berichtet die »Times« täglich und auf bis zu zwanzig Seiten über seinen skandalösen Versuch, sich von seiner ungeliebten Zweckgemahlin Prinzessin Karoline von Braunschweig zu trennen. Vor der offiziellen Krönung und dem heiligen Akt der Salbung im Jahr 1821 als König George IV. will Prinny seine Queen in spe endlich vom Hals haben, statt sie neben sich thronen zu lassen.
    Vor Gericht werden zu diesem Behufe mal wieder Spermaspuren auf Bettlaken in Augenschein genommen. Prinnys royale Anwälte unterbreiten sie den Scheidungsrichtern als Beweis für Karolines Untreue. Königliche Agenten werden in den Zeugenstand geschickt, um über Karolines Seitensprünge quer durch Europa zu berichten.
    Die detektivische Sonderkommission hat seit Jahren an der delicate investigation – der delikaten Untersuchung – gearbeitet. Die Ermittlungsergebnisse sickern nicht nur tröpfchenweise zur Presse durch.
    Der Versuch, die Gattin zu kompromittieren, geht nach hinten los. Der Dandykönig und seine Kronanwälte geben in Sachen Sex, Ausschweifung und Verleumdung der eigenen Prinzgemahlin Steilvorlagen, denen die »Times« nicht widerstehen möchte.
    Aus politischen Gründen, wohlgemerkt, und – wir wissen es nun hinlänglich – damit steht die bürgerliche Presse in allerbester höfischer Tradition. »Majestätsbeleidigung« ist nun mal seit Jahrhunderten ein blutiger Sport unter Monarchen und politisches Mittel zum Zweck. Jetzt wird er mit Druckerschwärze im bürgerlichen Lager mitbetrieben.
    Die königliche Schmutzwäsche wird gern öffentlich zur Schau gestellt.
    In der Mittelschicht kursiert der Pro-Karoline-Slogan No Queen, no King . Man ist jedoch vor allem moralisch empört, nicht revolutionär gestimmt.
    In höheren Adels- und auch in Großbürgerkreisen reagiert man ohnehin verhaltener. Die werdende Volksheldin Karoline – eine Vorläuferin von Princess Di – ist keineswegs eine holde Unschuld und gilt als eher lästige Nestbeschmutzerin. Wie Prinny gönnt sie sich Freiheiten und Verschwendungsorgien auf Kosten der Staatskasse nach Adels Sitte.
    Ihre Popularität im Volk verdankt sich der Tatsache, dass sie aus der Ferne betrachtet und den Zeitungen zufolge ein mitleiderregendes Schicksal hat. Und mit Leid kennen viele englische Untertanen sich sattsam aus. Aber als Revolutionsführerin sieht sie auch hier niemand, und Karoline hat auch kein Konzept für eine bürgerliche Befreiungsbewegung im Sinn.
    Ihr in der Presse und von Klatschspezialisten breitgetretenes Scheidungsschicksal hat am Ende vor allem zwei Dinge zur Folge: Königsklatsch sorgt für einen weiteren Boom des damaligen Pressemarktes, und King George IV. wird endgültig zur Schießbudenfigur.
    Wozu Prinny bis zuletzt mächtig beiträgt. Seine Krönung wird 1821 zur Schmierenkomödie und ist ein Beleg für Napoleons bereits zitierte Weisheit: »Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt.«
    Eingezwängt in ein Korsett und in ein Krönungshabit zum Preis von 24.000 Pfund, das nicht beeindruckt, sondern die meisten Londoner zum Lachen reizt, stolziert der stark geschminkte und zu salbende Monarch in die Westminster Abbey ein. Bei einem Taillenumfang von 124 Zentimetern bringt er nunmehr ein Lebendgewicht von 111 Kilo auf die Waage.
    Mit 243.000 Pfund übersteigen die Kosten des feierlichen Showacts die Kosten für die Krönung seines Papas um mehr als das 24-fache. Das anschließende sündteure Krönungsbankett ist das – bislang – letzte, das im Vereinigten Königreich Großbritannien stattgefunden hat.
    Nicht geladen zu Krönung und Fest ist anno 1821 Gemahlin Karoline von Braunschweig, die Prinny vor Gericht nicht losgeworden ist. Die Prinzessin kutschiert dennoch herbei. Und das ist die wahre Krönung des misslungenen Machttheaters.
    Prinny lässt ihr die Kirchenportale vor der Nase zuknallen. Bezahlte Preisboxer bewachen den Eingang.

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