Sex and the Office
sagte: »Nein, soweit ich weiß hatten wir keinen Sex.«
Erleichtert atmete ich aus.
»Was dich und David angeht, bin ich mir allerdings weniger sicher.«
»Was?!« Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, und noch ehe das ganze Ausmaß von Max’ Worten in mein Bewusstsein drang, rief meine Mutter über den Flur: »Ich hoffe, du hast laktosefreie Milch im Haus, denn ich trinke meinen Kaffee ausschließlich …« Sie verstummte, als sie in der Küchentür erschien.
»Mutter, das ist Max, Max das ist meine Mutter«, stellte ich sie einander vor. »Und nein, ich habe keine laktosefreie Milch. Außerdem muss ich los«, entfuhr es mir nach einem erneuten Blick auf die Uhr.
»Ich krieg das schon hin«, flüsterte Max mir zu und reichte mir meine Umhängetasche von der Stuhllehne. »Sieh du lieber zu, dass du nicht zu spät ins Büro kommst.«
»Du bist ein Schatz!«, sagte ich und drückte ihm zum Dank einen Kuss auf die Wange, wenngleich ich mir nicht sicher war, ob es wirklich so eine gute Idee war, ihn mit meiner Mutter allein zu lassen. Man konnte bei dieser Frau nie wissen, wozu sie fähig war. »Wenn du noch etwas brauchen solltest, frag einfach Max oder ruf mich an«, rief ich meiner Mutter zu, in der Hoffnung, dass sie es nicht tut würde. Auf der Türschwelle drehte ich mich noch einmal nach ihr um. »Weißt du eigentlich schon, wie lange du bleiben wirst?«
»Mal sehen, ich bin da ja nicht so festgelegt …«
Ich tauschte einen Blick mit Max aus, ehe ich Momente später die Wohnungstür hinter mir ins Schloss zog. Noch auf dem Weg zur U-Bahn rief ich meinen Vater an. Doch wie so oft in letzter Zeit, erreichte ich ihn weder unter seiner Büronummer im Chemiewerk noch auf seinem Handy und hinterließ zum hundertstenmal eine Nachricht auf seiner Mailbox. »Hallo, Papa, ich bin’s. Hör mal, das mit dir und Mama renkt sich sicher wieder ein. Leider habe ich momentan zu viel um die Ohren, um jetzt auch noch das Kindermädchen für Mama zu spielen – also bitte sei so nett und sieh zu, dass sie wieder nach Hause kommt, ja?« Ein Piepton gab mir zu verstehen, dass die Mailbox voll war. Verärgert packte ich mein Handy weg und musste schon wieder niesen. Auch die übrigen Symptome einer Erkältung ließen nicht lange auf sich warten. Meine Wangen glühten, meine Glieder schmerzten und mein Hals schwoll an, als drückte mir jemand die Luft zu. Während ich schniefend in der U-Bahn stand, beschloss ich, mich in der Redaktion nur kurz blicken zu lassen, um mich krank zu melden.
Im Aufzug des Senders bastelte ich bereits an einer passenden Formulierung. Eigentlich wollte ich meinem Chef das Leiden Christi vorspielen, doch auf meine schauspielerischen Fähigkeiten konnte ich getrost verzichten. Mir ging es tatsächlich hundsmiserabel.
»Einen wunderschönen guten Morgen, Charlotte«, begrüßte mich Leon Wenzel, der wie immer aussah wie das blühende Leben, während ich mit triefender Nase die Redaktion betrat.
»Morgen«, sagte ich knapp und schenkte ihm ein halbherziges Lächeln. Genau genommen war das einzig Gute an diesem Morgen, dass mir Franziska noch nicht über den Weg gelaufen war. Ich wollte mich gerade krankmelden, da gab Leon Wenzel mir ein Zeichen, ihm unauffällig in sein Büro zu folgen. Irritiert tat ich wie geheißen.
»Wenn Sie uns bitte kurz allein lassen würden«, bat er Claudia Krüger, die hinter seinem Schreibtisch hochschreckte. »Natürlich«, sagte sie sich räuspernd und strich ihre Bluse glatt, ehe sie mit klackernden Absätzen und einem Stapel Dokumente unter dem Arm an mir vorbeistakste. Moment mal, war das nicht mein Lebenslauf, den sie da unter dem Arm hatte? Misstrauisch blickte ich Wenzels Assistentin hinterher. Becks sagte immer, wenn du gewinnen willst, musst du die Schwächen deiner Feinde kennen, und was auch immer die Assistentin meines Chefs damit im Schilde führte, ich würde es herausfinden. Ich hörte, wie Claudia Krüger die Tür hinter sich schloss. Das Klackern ihrer Absätze blieb aus.
Leon Wenzel nahm etwas aus der oberen Schublade seines Schreibtisches. »Das hier haben Sie gestern Abend in meinem Wagen verloren.«
»Mein Armband!« O Gott, ich muss wirklich ziemlich betrunken gewesen sein. Dankbar nahm ich das Erbstück an mich, auch wenn das davon erhoffte Glück bislang ausgeblieben war. Über den gestrigen Abend verlor Leon Wenzel kein Wort, und ich hielt es ebenfalls für das Beste, ihn nicht darauf anzusprechen. Als er mich aus seinem Büro
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