Sex and the Office
mich ungesehen davonzustehlen, war, zurück zum Ufer zu schwimmen. Das Ufer war zwar wesentlich weiter entfernt als der Steg, doch man musste gewiss keine van Almsick sein, um das zu schaffen. Auf knapp halber Strecke geschah jedoch etwas vollkommen Unerwartetes. Fernab des Scheinwerferlichts bekam ich plötzlich einen höllischen Krampf im rechten Bein. Ich schrie auf und versuchte, irgendwie weiterzuschwimmen. Doch je mehr ich strampelte, desto mehr verkrampfte sich mein Bein. Verdammt! Panisch sah ich mich um. Zum Teufel mit den Paparazzi – ein Skandal war inzwischen mein geringstes Problem! Doch sowohl der Steg als auch die Jacht erschienen mir inzwischen weiter entfernt als das Ufer, und ich entschied, meine Route beizubehalten. Leichter gesagt als getan, denn ich kam kaum voran. Verzweifelt ruderte ich mit den Armen, um mich über Wasser zu halten. Meine Kräfte verließen mich, und nach Luft ringend brachte ich kaum mehr Schwimmbewegungen zustande. Obwohl ich mich bereits damit abgefunden hatte, als Fischfutter im Canal Grande zu enden und ich mindestens so viel Salzwasser wie Champagner geschluckt hatte, erreichte ich unter großer Anstrengung dennoch das Ufer. Wie ich so abseits des Trubels dalag, vollkommen erschöpft und klatschnass wie ein gestrandeter Fisch, blickte ich plötzlich in das vertraute Augenpaar jener Person, deren Namen ich für immer aus meinem Gedächtnis streichen wollte. »Du …? Was tust du denn hier?«
»Das sollte ich wohl lieber dich fragen«, gab David Neuhofer zurück. »Bist du verletzt?«
Benommen schüttelte ich den Kopf und spürte, wie ich am ganzen Leib zitterte. Obwohl es eine laue Sommernacht war, fror ich entsetzlich. Mühsam richtete ich mich auf, und David legte mir seine Jacke um.
»Lass mich raten, du bist mit Leon Wenzel hier?«
Schlotternd nickte ich. »Und du? Soweit ich weiß, fallen die Filmfestspiele doch gar nicht in deinen Aufgabenbereich«, meinte ich, während ich noch etwas wackelig auf den Beinen an seinem Arm hing und mich von ihm entlang des Ufers zu dem Vaporetto geleiten ließ, das einige Meter weiter scheppernd anlegte.
»Hättest du meine Anrufe beantwortet oder wenigstens meine SMS gelesen, wüsstest du, dass bei uns ein Kameramann ausgefallen ist und ich einspringen musste«, sagte er und seufzte. »Jetzt mal ehrlich, Charly – was ist los?«
»Ich war eben noch nicht offen für eine neue Beziehung«, erklärte ich fadenscheinig. Auf keinen Fall würde ich mir die Blöße geben, ihn auf die Rothaarige anzusprechen!
David machte ein betrübtes Gesicht. »Ich habe dich und Leon Wenzel gesehen …«
»Na und?«
»Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Schnösel nichts unversucht lässt, um bei dir zu landen?«
»Und wenn schon, das wäre wohl kaum dein Problem«, entgegnete ich. »Während du deine Kamera offenbar vorwiegend dafür nutzt, andere auszuspionieren, bin ich nämlich nicht zum Vergnügen hier.«
Er verzog das Gesicht. »Aber wohl kaum, um über weltbewegende, politische Probleme Bericht zu erstatten.«
»Es geht dich zwar nichts an, aber ich bin hier, um wertvolle Kontakte zu knüpfen. Außerdem will ich Leon Wenzel davon überzeugen, mich als Volontärin einzustellen«, erklärte ich schlotternd.
Davids Blick wanderte an mir herunter. »Sieht ganz so aus, als wäre deine Mission ins Wasser gefallen.«
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da sah ich unverhofft die Brünette, die Leon Wenzel ihre Nummer aufgeschrieben hatte, mit einem viel älteren Herrn turtelnd in einer Gondel vorbeiziehen. Sieh an , dachte ich verblüfft. Offenbar war Leon Wenzel nach unserer kleinen Wette zu voreilig aufs Siegertreppchen gestiegen, denn wie es aussah, bekam die Telefonnummer dieser Dame jeder, der ihr genügend Scheine ins Prada-Täschchen stopfte.
»Ach, komm schon Charly«, riss mich David aus meinen Gedanken und blickte mich verständnislos an. »Du hast mehr drauf als dieses ganze Hutschi-Kutschi, Küsschen hier, Küsschen da …«
Ich hatte genug. »Nur weil du ständig davon redest, irgendwann mal deinen eigenen Dokumentarfilm zu drehen, bist du keinen Deut besser als ich!« Unter den irritierten Blicken der Passagiere ging ich barfuß an Bord des Wassertaxis, da fiel mir plötzlich auf, dass mein Bargeld ebenfalls baden gegangen war. David, ganz der Gentleman, zögerte keine Sekunde, zückte seine Geldbörse und reichte mir ein paar Scheine.
»Danke, hast was gut bei mir«, murmelte ich. Zugegeben, etwas mehr
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