Sex and the Office
»Fehlt nur noch das passende Strumpfband, und Kubrik hätte mich glatt in Eyes Wide Shut besetzt«, sagte ich scherzhaft und fragte: »Wie sind Ihre Interviews mit den Schauspielerinnen gelaufen?«
Leon Wenzel straffte sich und starrte eine Sekunde lang durch mich hindurch. »Interessant«, murmelte er. »Und überaus aufschlussreich«, erklärte er und verschwand ins Badezimmer. Kopfschüttelnd blickte ich ihm hinterher und dachte mir meinen Teil.
23
Als ich Leon Wenzel am Abend zum Ball begleitete, kam ich mir an seiner Seite dann doch etwas ausgestellt vor, was weniger an meiner Maske lag als an meinem Outfit. Mir stand dieser Fummel einfach nicht, und genauso fühlte ich mich auch. Leon Wenzel hingegen sah aus wie immer, nur mit dem Unterschied, dass er zu seinem Smoking eine tiefschwarze Maske trug, die ihm etwas zorrohaftes verlieh. Egal, mir blieb keine Zeit für Eitelkeiten; nachdem die Veranstaltung am Vortag für mich buchstäblich ins Wasser gefallen war, hatte ich mir fest vorgenommen, Leon Wenzel an diesem Abend ein für alle Mal davon zu überzeugen, mit Franziska Neumann die falsche Wahl getroffen zu haben. Und spätestens als wir nach einem zehnminütigen Fußmarsch über den Lido die Lobby des Grand Hotel Excelsior betraten und ich mich in der Menge aufwendig verkleideter Gäste umblickte, lösten sich meine Bedenken in puncto Dresscode in Luft auf. Dieser Abend versprach schon jetzt wesentlich interessanter zu werden als der vorangegangene. Zu meinem Leidwesen war allerdings auch Ricarda Fabiani unter den Gästen. Die Redakteurin, die Leon Wenzel mir neulich in der Galerie vorgestellt hatte, trug eine Art Domina-Korsage, dazu passende Lackstiefel und eine Maske, die ihre rechte Gesichtshälfte verbarg. »Das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagte sie und gesellte sich just in dem Moment zu uns, als Leon Wenzel uns zwei Gläser Champagner besorgt hatte.
Ich ging folglich leer aus.
»Ich hätte deine reizende Begleitung fast nicht wiedererkannt – wo hat sie denn ihre todschicken Turnschuhe gelassen?« Sie lachte, gerade so, als wäre ich Luft.
Meine Unterkiefer mahlten. »Ich wollte Ihnen damit nicht die Show stehlen.«
»Glauben Sie mir, mit solchen Tretern bekommen Sie nie einen richtigen Job«, erklärte Ricarda Fabiani und ließ es sich im Zuge dessen nicht nehmen, ausschweifend von ihrem ach so aufregenden neuen Job bei dieser Late-Night-Show zu erzählen. Oh, bitte – das konnte ich mir keine Sekunde länger anhören! Zumal mir Leon Wenzel erzählt hatte, sie habe den Job lediglich bekommen, weil er ihr, mithilfe seiner Kontakte, ein Vorstellungsgespräch ermöglicht hatte. Ich entschied, mich unter die Gäste zu mischen, um mich ein wenig umzuschauen. Blieb nur zu hoffen, dass das nicht wieder so eine Veranstaltung war, die ich fast ausschließlich am Büfett verbrachte.
Später am Abend hatte ich mich mit Leon Wenzel zu einer mehr oder weniger illustren Runde an der Champagnerbar gesellt, die sich aus Reportern eines britischen Fernsehsenders und Vertretern der italienischen High Society zusammensetzte. Durchschnittsalter: alt. Das konnten auch die Masken nicht verbergen. Die Gesprächsthemen kreisten um die neuesten Trennungsgerüchte und heimliche Schönheits- OP s bei den Stars.
»Ich finde es bedenklicher, dass in diesem Jahr kein einziger Film von einer Regisseurin im Wettbewerb ist«, wandte ich auf Englisch ein, woraufhin ein längeres Schweigen entstand. Acht Masken zeigten in meine Richtung, ehe man das Gespräch übergangslos zurück auf den neuesten Klatsch und Tratsch brachte. Leon Wenzel konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Nicht dass mich das tangiert hätte, nachdem er neulich ungeniert preisgegeben hatte, dass es ihm bis heute ein Rätsel sei, weshalb Jean-Claude Van Damme nie für einen Oscar nominiert worden war. Obwohl exzessives Namedropping hier zum guten Ton gehörte, war ich daher ganz froh, dass Leon Wenzel sich diesbezüglich zurückhielt. Umso verwunderter war ich, als er auf die Frage, was er denn vom italienischen Kino halte, sich darüber ausließ, dass Allegra Rossi für ihn zweifellos der neue italienische Superstar sei. Sprachlos blickte ich ihn von der Seite an und musste mich förmlich zwingen, nicht laut loszulachen, da signalisierte mein Handy den Eingang einer neuen SMS . Tatsächlich hatte der Gorilla, der mein Telefon auf der Jacht konfisziert hatte, Wort gehalten und es an der Rezeption unseres Hotels abgeben lassen. Ich
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