Sex - die 10 Todsünden
sondern dass jeder Mensch auch ein Innenleben hat, eine »innere Realität«. In seine innere Realität taucht zum Beispiel sehr intensiv ein, wer sich in Tagträumen verliert oder wer Liebeskummer hat und sich immer wieder die schönen verflossenen Stunden mit dem Expartner ausmalt. In einer Beziehung wäre es fair, den (vermeintlichen) Lügner nach seiner inneren Wahrheit zu fragen. Was, wenn Bernd aus unserer Geschichte nur um des lieben häuslichen Friedens willen mit seiner Frau nach Paris gefahren wäre und in Gedanken die ganze Zeit mit seiner Geliebten verbracht hätte? Vielleicht hätte eine ehrliche Begründung die Situation für die Geliebte erträglicher gemacht.
Die innere Realität, oder genauer gesagt, unsere inneren Bilder tragen in der Hirnforschung einen eigenen Namen. Man bezeichnet sie als »episodisches Gedächtnis« oder »episodic memory«. Sie bilden einen separaten Teil des Langzeitgedächtnisses und sind stark mit den eigenen Gefühlen und der eigenen Biografie verbunden. Ob Bernd tatsächlich in Gedanken und Gefühlen bei der Geliebten war, wird sich allerdings nicht herausfinden lassen. Und das ist ein Manko der inneren Realität: Sie wird immer unüberprüfbar sein.
Subjektiv aber können die inneren Bilder so stark und bestimmend sein, dass sich der »Lügner« dessen, was er tut, gar nicht richtig bewusst ist. Denn die Inszenierung des Selbst ist auf Konsistenz gerichtet. Das heißt, wir wählen und gestalten unbewusst die Bilder unseres Lebens derart, dass sich daraus eine sinnvolle Lebensgeschichte ergibt. Was nicht passt, wird bei der Gestaltung der inneren Bilder angepasst oder umgedeutet. Das wird in der Psychologie »Verdrängung« genannt. Psychologisch gesehen werden beim Verdrängungsprozess verpönte Wunschregungen oder Erinnerungen an ihrer Bewusstwerdung gehindert. Die Verdrängung kann so weit gehen, dass etwa ein Mann die meiste Zeit seine Geschichte, die er der Geliebten auftischt, selbst glaubt. Und deswegen sind Menschen, die in eine Lebenslüge verstrickt sind, oft sehr überzeugend.
Die Lüge nicht so ernst nehmen
Dem belogenen Partner helfen diese Erklärungen und Erkenntnisse aus Psychologie und Hirnforschung nicht viel. Auch wenn er damit vielleicht die Motive des anderen besser versteht, so ist die Tatsache des Belogenwerdens dennoch kränkend. Die einzige Möglichkeit, damit klarzukommen, ist, die Lüge nicht so ernst zu nehmen, einen Anker in sich zu finden und nicht im anderen, sich selbst als verlässliches Zentrum zu empfinden, das durch das Verhalten des anderen nicht zerbricht. Aus diesem Standpunkt heraus gelingt es vielleicht sogar, die Lüge des anderen als Symptom zu sehen für eine Persönlichkeit, die einfach unsicher und unreif ist, oder für eine Persönlichkeit, welche die tiefen Dimensionen einer Beziehung gar nicht erkennen kann. Und dann stellt sich wie von selbst die Frage: Kann jemand, der – in diesen Punkten – nicht auf meiner Augenhöhe ist, mich überhaupt verletzen?
Die Konsequenz daraus kann bedeuten, dass die Beziehung weitergeht, aber der Rahmen anders definiert wird. In Bezug auf Sibylle zum Beispiel wie folgt: »Mein Freund liebt mich, und wenn wir zusammen sind, verleben wir eine schöne Zeit. Alles andere soll mich nicht kümmern.« Die Konsequenz kann aber genauso bedeuten, die Beziehung zu beenden und einen reiferen Partner zu suchen.
Der heiße Tipp
Wie Sie in einer Partnerschaft am besten mit der Wahrheit umgehen
Wenn Sie Angst haben, den Partner mit der Wahrheit zu verletzen, dann befolgen Sie folgende Ratschläge:
Sprechen Sie zunächst miteinander darüber, wie Sie es mit der Wahrheit handhaben wollen. Bevor Sie sich nun aber umgehend schwören, immer die Wahrheit zu sagen, machen Sie sich zunächst einmal klar, am besten ebenfalls im gemeinsamen Gespräch – was das alles bedeutet. Seien Sie ehrlich zu sich, ob Sie es wirklich ertragen könnten, wenn der andere Ihnen beispielsweise gesteht, eine Affäre zu haben, oder – wie in unserer Geschichte Bernd – gestehen würde, Silvester in Paris, in der Stadt der Liebe, mit seiner Frau verbracht zu haben. Wenn jemand so etwas tatsächlich sagt, müssen Sie mit dieser Wahrheit auch umgehen können: verzeihen, sich trennen … je nachdem, wie Ihr Modell von Wahrheit und das des Partners aussieht.
Sie können sich aber auch darauf einigen, dass Sie sich nicht alles sagen, sondern nur das, was die Beziehung gefährdet. In dem Fall sind ebenfalls einige Spielregeln
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