Sex for One
jemals
über Masturbation gesprochen habe. Sie bejahte. Eine
Freundin habe über einen schlimmen Juckreiz in der Va-gina geklagt, den kein Arzt kurieren konnte. Mutter schlug
ihr Masturbation vor. Danach hörte sie von der Freundin
nie wieder. Mutter beschloß, das Thema nicht mehr zu
berühren, die Leute waren einfach zu dumm. Ich konnte ihr
nur beipflichten. Ihre Orgasmen waren ihre eigene sexuelle
Revolution, und das reichte. Die Gesellschaft versucht nicht
nur, so zu tun, als hätten Frauen einen geringeren Sexual-trieb, sie stellt Sex für ältere Menschen zudem als obszön
oder anomal dar. Ich bewunderte Mutter sehr, daß sie
diesem Mythos widerstand, und nannte sie eine radikale
Feministin. Das gefiel ihr.
5. Kapitel
Die Erweiterung des sexuellen
Bewußtseins
Als ich aus meinem Sexualleben kein Geheimnis mehr
machte und allen Mythen über Masturbation ins Gesicht
lachte, fühlte ich mich viel selbstsicherer. Die sexuelle Of-fenheit war sehr heilsam, und ich sah mich verpflichtet,
allen Freundinnen zu erzählen, was sich durch meine Be-mühungen alles verändert hatte. Mein Schritt an die Öffent-lichkeit brachte mir zahlreiche Briefe, Anrufe und Fragen
von Frauen aus den verschiedensten Gruppierungen ein,
und alle wollten mehr über Selbstliebe und Orgasmen er-fahren. Sexuelle Kenntnisse mitzuteilen war ein weiterer
Schritt, mein sexuelles Bewußtsein zu erweitern. Wenn
Frauen untereinander über Sex redeten, kehrte das die
Unterdrückung um, die so tief in der weiblichen Psyche
verankert ist. Und schließlich begriff ich, daß alles Persönli-che gleichzeitig politisch war. Wenn Frauen lernen konn-ten, sich über ihr Sexualleben auszutauschen, würde der
Feminismus zum Meilenstein in der Sexualgeschichte wer-den.
Meine Freundin Nancy war ein klassischer Fall für unter-drückte weibliche Masturbation. Im Alter von fünfund-zwanzig — nach sechs Jahren sexueller Erfahrung — war sie
nicht sicher, jemals einen Orgasmus erlebt zu haben. (Es ist
schwer, sich einen jungen Mann mit ähnlicher Erfahrung
vorzustellen!) Ich sagte ihr, sie könne es nur herausfinden,
wenn sie lerne, sich selbst zum Orgasmus zu bringen.
Bewußt hatte Nancy niemals masturbiert. Ich beschrieb ihr
einige der Gefühle, die ich erlebt hatte, und zeichnete ein
Bild der weiblichen Geschlechtsteile, wobei ich auf die
Bedeutung der Klitoris hinwies.
Nach einer Woche gab Nancy zu, daß sie sich beim
Masturbieren albern und gehemmt vorkam. Außerdem sei
nichts passiert. Als ich erfuhr, daß sie nur zehn Minuten
damit zugebracht hatte, wies ich sie sanft darauf hin, daß
sie doch ihrem Haar und ihrem Gesicht immer Stunden
widmete. Vielleicht war es die Sache wert, wenn sie sich
einmal mindestens eine Stunde mit ihrem Körper beschäf-tigte.
Dann beschrieb ich in allen Einzelheiten die verschiede-nen Handtechniken und betonte, wieviel besser sich alles
mit Massageöl anfühlte. Sie konnte einen oder mehrere
Finger oder die Handfläche benutzen, kreisförmig auf und
ab reiben oder von einer Seite zur anderen. Sie konnte ihren
Schamhügel reiben oder die äußeren Schamlippen zusam-mendrücken. Sie konnte die Klitoris direkt oder von der
Seite her berühren und Rhythmus und Druck variieren. Ich
schlug ihr vor, vielleicht ein sexuell anregendes Buch zu
lesen oder sich etwas auszumalen.
»Immer noch nichts«, berichtete Nancy einige Wochen
später. Sie klagte, ihre Hand würde müde und die ganze
Übung langweile sie. Ich empfahl ihr einen Vibrator, doch
sie fand das zu mechanisch. Dann erinnerte ich mich an
eine andere Freundin, die den ersten Orgasmus in der
Badewanne erlebte, als sie den Wasserstrahl über ihre
Genitalien laufen ließ. Sich »da unten« zu berühren, war sie
zu gehemmt gewesen, und sie fand, das Wasser sei wie ein
Liebhaber, der sie streichelte. Diese Information gab ich an
Nancy weiter, und es klappte! Endlich ein Orgasmus. Dieses
Mal hatte sie absolut keinen Zweifel. Sie war sehr glücklich
darüber, aber auch wütend, daß sie so lange dazu ge-braucht hatte. Ich wies sie auf mehrere Frauen hin, die erst
mit Vierzig ihren ersten Orgasmus erlebten.
In den nächsten sechs Monaten »ging« Nancy mit ihrem
Wasserstrahl, überwand ihre Vorbehalte und kaufte sich
einen Vibrator. Jetzt konnte sie Orgasmen auch im Bett
haben. Außerdem hatte sie gerade eine neue Beziehung
angefangen, wußte aber nicht, ob sie ihrem Freund erzäh-len sollte, daß sie beim Verkehr noch
Weitere Kostenlose Bücher