Sex for One
nie den Höhepunkt
erreicht hatte. Ich ermunterte sie, den Freund in ihre sexu-elle Entwicklung einzubeziehen, und riet ihr dringend, nie
einen Orgasmus mit ihm vorzutäuschen. »Wenn wir das
einmal machen, sitzen wir in der tiefsten Sexualfalle«, sagte
ich. Zu Nancys Freude war der Freund sehr froh, einge-weiht zu werden. Der Abend, an dem sie den Mut auf-brachte, ihren Vibrator herauszuholen, war für sie wun-derbar. Nach kurzer Zeit hatte Nancy auch beim Verkehr
einen Orgasmus, wenn sie den Vibrator benutzte oder ihr
Freund sie oral stimulierte. Sie schwebte im siebten Him-mel!
Da ich erlebt hatte, welche Bedeutung Kommunikation
zwischen Frauen haben kann, war ich bereit, zur einge-schworenen Feministin zu werden. Ich ging in ein Frauen-zentrum, das von jüngeren, radikalen Frauen gegründet
worden war. Die Frau am Empfang meinte, es gebe mo-mentan keine Selbsterfahrungsgruppe, und schlug vor,
selbst eine anzufangen. Meine erste Reaktion war: »Ich
habe doch keine Erfahrung!« Doch sie gab zurück, mein
Frausein allein reiche aus. Ich wollte ein paar Ratschläge,
ein Handbuch, irgend etwas, doch ich bekam nur ein Lä-cheln und den zuversichtlichen Rat: »Bring die Frauen
zusammen, und alles andere regelt sich von selbst.«
Ich wußte immer noch nicht genau, wer die Gruppe leiten
sollte, und bat zwei Freundinnen um Hilfe. Wir vereinbar-ten einen Treffpunkt und riefen alle Frauen an, von denen
wir hofften, daß sie interessiert waren. Ein Jahr lang trafen
sich zwischen neun und fünfzehn Frauen wöchentlich. Wir
experimentierten mit verschiedenen Gruppierungen,
tauschten Erfahrungen aus und gaben einander Kraft und
Hoffnung. Das schuf eine kraftspendende neue Lernumge-bung. Regelmäßig in einer reinen Frauengruppe zu sein
brachte mir verlorengeglaubte Kindheitserinnerungen zu-rück. Ich hatte immer enge Freundinnen, doch beim Heran-wachsen wurde ich systematisch angeleitet, nicht mehr mit
Mädchen umzugehen, sondern mich mit Jungen zu befas-sen. Als erwachsene Frau wußte ich, daß immer etwas
Sexuelles im Spiel ist, wenn Frauen sich regelmäßig treffen,
und das Wort lesbisch schreckte mich ab. Ich hatte schon
genug Probleme, eine sexuelle Abweichlerin zu sein. Zu-rückblickend erkenne ich, wie furchtsam ich sexuell noch
war. Doch dank meiner erotischen Evolution wurde ich
immer kühner und experimentierfreudiger.
In den späten sechziger Jahren, als Sexpartys in vollem
Schwung waren, entdeckte ich, wie schön Sexspiele mit
Frauen sein können. Diese neue erotische Erfahrung war
für mich ganz natürlich, und ich nannte mich von nun an
»bisexuell«. Ich liebte die Freiheit, mich von beiderlei Ge-schlechtern angezogen fühlen zu können.
Dann kamen die Fraktionskämpfe zwischen den hetero-sexuellen und lesbischen Feministinnen Anfang der siebzi-ger Jahre. Da ich mich als bisexuell betrachtete, konnte ich
mich nicht entscheiden. Ich wollte keine reine Lesbierin
sein und meine erotischen Gefühle für Männer unterdrük-ken, ebensowenig wie ich meine erotischen Gefühle für
Frauen verleugnen wollte. Ich fühlte mich wie ein Zwitter
zwischen zwei gegnerischen Lagern, die sich den Freuden
der Selbstliebe und der Masturbation hingibt.
Als ich meine erste dauerhafte Beziehung mit einer Frau
begann, fühlte ich mich wiederum zwiespältig. Der Gesell-schaft zufolge hatten Frauen entweder romantische Lesbie-rinnen oder platonische heterosexuelle Freundinnen zu
sein. Laura und ich verbanden diese beiden Möglichkeiten
und wurden zu sexuellen Freundinnen. Das war eine neue
Kategorie für bisexuelle Frauen.
Laura war eine der mutigsten Frauen, die ich je gekannt
habe. Tagsüber war sie eine höhere Bankangestellte,
nachts eine radikale Feministin. Sie war in der Kampfkunst
ausgebildet und ging ohne Angst nachts allein auf die
Straße. Außerdem war sie sehr schön mit ihren strahlenden
braunen Augen. Sie war gerade dreißig geworden, und ich
war zweiundvierzig, und so fühlte ich mich oft wie ihre
ältere Schwester, die besonders in sexuellen Dingen mehr
Erfahrung hatte.
Während unserer zahlreichen Diskussionen über Femi-nismus erklärte ich Laura meine Sexualpolitik. Ich hielt
erzwungene Monogamie, idealisierte romantische Liebe
und abhängigen Sex für den Fluch der Frauen. Um diese
Verengungen zu vermeiden, fand ich es wichtig, daß wir
nicht alle Zeit zusammen verbrachten. Sie stimmte zu, und
so hatten wir während unserer Beziehung auch andere
sexuelle und
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