Sex for One
aufgehängt. Es war klar,
daß Abbildungen von Menschen, die sich »einen runterho-len«, Schwierigkeiten bringen würden. War denn die
Selbstliebe so schrecklich?
An jenem Abend hing an der Stirnwand im Hauptraum
dieser eleganten Galerie eine drei Meter große Zeichnung
meiner Freundin Nicole mit gespreizten Beinen und erigier-ter Klitoris, die sich mit einem elektrischen Vibrator dem
Orgasmus nähert. Normalerweise hörte sie dazu Musik per
Kopfhörer und benutzte außer dem Vibrator eine geschälte
Schlangengurke, doch aus künstlerischen Gründen hatte
ich ihre Technik vereinfacht. Im Nebenraum hing die Zeich-nung meines Freundes Adam mit gespreizten Beinen und
erigiertem Penis, der sich mit der Hand einen Orgasmus
beibringt.
Die Reaktionen auf diese Ausstellung waren noch faszi-nierender und informativer als bei der ersten. Viele Frauen
gaben an, nie zu masturbieren. Männer, die es zugaben,
meinten, sie vögelten lieber »richtig«. Manche Männer
wußten nicht, daß Frauen masturbieren, während andere
von dem Gedanken erregt wurden, wenn eine Frau »es
selbst macht«. Männer betrachteten die Zeichnung von der
Frau eingehend und gingen rasch an der vom Mann vorbei,
während Frauen sich beide Bilder ansahen. Der Vibrator
machte mehrere Männer aggressiv und eifersüchtig. Ein
sehr männlicher Typ meinte nachdrücklich: »Wenn das
meine Frau wäre, brauchte sie so ein Ding nicht!« Ich
konterte, ich sei eher für Kooperation als für Rivalität. Sonst
wäre es ja wie der Wettkampf mit dem Elektrizitätswerk,
bei dem nie der Strom ausfällt. Außerdem stünde ein Vibra-tor vierundzwanzig Stunden täglich zur Verfügung.
Ich stellte mich Hunderten von Fragen und versicherte
den Leuten immer wieder, daß Masturbation gesund sei.
»Nein, Warzen bekommt man davon nicht.« »Ja, die Frau
mit dem Vibrator hat einen Freund. Er steht direkt neben
ihr.« »Nein, im Gegensatz zu dem, was man uns immer
wieder sagt, ist Verkehr nicht besser, nur anders.« »Nein,
die Masturbation bringt die Lust auf einen Partner nicht
zum Verschwinden, sie verstärkt sie.« »Ja, ich mache bei-des, und mir gefällt es.«
Einige Geschichten, in denen die Leute von schweren
Strafen für kindliche Masturbationsspiele berichteten, trie-ben mir die Tränen in die Augen. Eine Frau erzählte mir, als
sie sieben Jahre alt war, sei ihre Mutter eines Abends in ihr
Zimmer gekommen, um ihr gute Nacht zu sagen. Sie habe
an den Fingern der Tochter gerochen und ihr mit den
Worten ins Gesicht geschlagen: »Das riecht ja, als hättest du
deine Hand in den Mülleimer gesteckt!« Die Frau gestand,
bis zum heutigen Tag ihre Geschlechtsteile nicht berühren
zu können, und ihr sei immer unbehaglich, wenn ihr Mann
es tue. Sie hatte in den zwanzig Jahren ihrer Ehe nie einen
Orgasmus erlebt, obwohl sie ihren Mann aufrichtig liebte.
Diese Ausstellung fand 1970 statt, und die Vibratorrevo-lution war noch nicht angebrochen. Viele Frauen hatten
also noch nie etwas von den elektrischen Massageappara-ten für Sexspiele gehört. Als ich sie beschrieb, war jede Frau
überzeugt, sofort danach süchtig zu werden. Ich erklärte,
ich schätze meinen Vibrator zwar, doch »regulärer Sex«
mache mir immer noch viel Freude. Meiner Meinung nach
haben Frauen, die Vibratoren mögen, auch Spaß am Sex
oder können Sex zum ersten Mal richtig genießen.
Falls ich vorher noch Zweifel gehabt hatte, war mir nach
diesen zwei Wochen in der Galerie klar, daß die sexuelle
Unterdrückung direkt mit der Unterdrückung von Mastur-bation zu tun hatte. Daraus folgte, daß die Masturbation
eine bedeutende Rolle spielte, um die sexuelle Unterdrük-kung zu beseitigen.
Sexuelle Befriedigung zu suchen ist ein Grundbedürfnis,
und die Masturbation ist unsere erste natürliche sexuelle
Handlung. So entdecken wir unsere Erotik, lernen, sexuell
zu reagieren, uns zu lieben und Selbstachtung aufzubauen.
Sexuelle Fähigkeiten und Reaktionsfähigkeit sind in unse-rer Gesellschaft aber nicht selbstverständlich. Natürlich
sein heißt sexuell gehemmt sein. Sex kann wie alles andere
erlernt und geübt werden. Wenn eine Frau masturbiert,
lernt sie ihre Geschlechtsteile kennen, ihre Orgasmen ge-nießen und erlangt sexuelle Erfahrungen. Doch der Ge-danke einer sexuell erfahrenen und unabhängigen Frau ist
für viele erschreckend.
Trotz der sexuellen Revolution, der Pille und der Frauen-bewegung herrscht immer noch die sexuelle
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