Sex ist verboten (German Edition)
gigantische Felsen in meiner Brust. Soll er mich erdrücken.
Dann bewegt er sich. O Gott, er hat sich bewegt. Er bewegt sich. Nur beobachten. Nicht lächeln, Beth. Beobachten.
Der Schmerz hatte angefangen, nach oben zu drücken. Er war in Bewegung. Wie ein Tier, das in mir lebte. Er weiß, wo er hin will. Er schiebt sich nach oben in meinen Nacken. Himmel. Da ist kein Platz für ihn. Er kommt nicht durch. Er ist zu groß. Ich schwelle an. Es ist wirklich etwas in mir, das hinauswill. Eine Kreatur, die sich durch meinen Hals schiebt. In meinen Kopf. Wie das Zentrum einer brühend heißen Lähmung schiebt sie sich nach oben, durch die linke Hälfte meines Gehirns bis hinter mein Auge. Mein Auge schwillt jetzt an. Mein linkes Auge schwillt an. Es ist grauenhaft. Aber zugleich seltsam schön. Ich weiß, die Erlösung wird kommen. Ich bin fast da. Woher weiß ich das? Einfach beobachten. Mein Augapfel wird zerbersten. Lass es zu, Beth. Kämpf nicht dagegen. Er ist so groß wie ein Fußball. Es ist furchterregend.
Es ist vorbei.
Eine plötzliche, schnelle Entleerung, Befreiung. Vorbei. DerSchmerz rauscht durch die Augenhöhle nach draußen. Verpufft. Alles ist wieder gut. In Sekundenschnelle ist alles vollkommen entspannt. Kein Schmerz, kein Druck. Tränen fließen. Nur beobachten. Meine Wangen sind nass. Nicht reagieren. Freu dich nicht. Frag dich nicht, ob etwas Wichtiges passiert ist. Alle Empfindungen sind unbeständig, Beth. Der Schmerz war es, die Erleichterung ist es auch. Unbeständig.
Anicca, anicca, anicca.
Stille. Endlich nur Stille in der Meditationshalle. Es ist Mitternacht. Genau jetzt. Irgendwie weiß ich, dass es jetzt Mitternacht ist. Die Stille wird tiefer. Sie ist wie ein sanfter Atem auf dunklem Wasser. Wunderschön. Ich habe noch nie eine solche Stille erlebt. Der Geist schwebt in der Stille, in der Leere, wie Federn auf einem dunklen See. Er ist riesig und still und vollkommen leer, wunderbar leer.
Gott.
Ich öffnete die Augen. Oh, im schönsten Moment habe ich aufgehört. Warum? Wie lange hatte es gedauert? Eine Sekunde, eine Stunde, ein Leben lang? Ich hatte Angst. Oder vielleicht war ich nur zu präsent, zu sehr
da.
Die Halle lag im Dunkeln. Durch die hohen Fenster kam ein schwacher Schimmer. Ich war allein in einem Meer von Kissen. Niemand war dageblieben.
Warum hatte ich aufgehört? Warum hatte ich Angst?
Ich stand auf und fröstelte, war aber nicht steif. Mein Körper war entspannt. Mein Atem ging sachte und leicht. Ich hatte den Schmerz hinausgeleitet. Ich hatte mich bis an meine Grenzen getrieben. Und dann, als alles perfekt war, hatte ich einen Rückzieher gemacht.
Ich hatte schon wieder versagt, hatte mich nicht an den Plan gehalten.
Mit der Decke um die Schultern ging ichzwischen den Kissenreihenhindurch zur Veranda. Meine Schuhe waren die einzigen, die noch dastanden. Es war nett, mich allein in der Meditationshalle bleiben zu lassen, mir die Gelegenheit zu geben, die Nacht hindurch alleine dort zu sitzen.
Warum hatte ich nicht durchgehalten?
Eine Eule schrie. Ich schaute in den Nieselregen hinaus. Die Luft fühlte sich im Gesicht und an den Händen kühl und feucht an. Da war wieder die Eule. Hu-huuh. Sie musste ganz nah sein. Eine ganze Eulenfamilie musste hier leben. Alle Wesen sichtbar und unsichtbar. Vielleicht hatte ich sie in der Trance auch gehört. Vielleicht war es die Eule gewesen, die mich herausgerufen hatte.
Ich hielt mir die Decke über den Kopf. Ich hasse Nieselregen im Haar. Es wird davon so ekelhaft klebrig. Trotz der plötzlichen Planänderung war ich ganz ruhig. Ich wollte mich nicht über mich ärgern. Ich hatte den Schmerz hinausgeleitet. Immerhin.
U-huu-hu.
Ganz plötzlich legte sich das Buddha-Lächeln auf meine Lippen. Meine Mundwinkel wurden hochgezogen und lächelten, ganz unwillkürlich. Ich lächelte für die Eule. Ich segnete die Eule. Vielleicht hast du es richtig gemacht, Beth, dachte ich. Vielleicht war es richtig von der Eule, dich herauszurufen. Warum gefielen mir diese Worte so gut? Alle Wesen sichtbar und unsichtbar? Wenn die Eule schrie, war sie in mir, oder ich war in ihr. Ich spürte die Schwingungen. Die Eule ist Mi Nu, dachte ich. Miii Nuuu, miii nuuu. Die Stimme eines unsichtbaren Wesens, die mich aus der Meditationshalle nach draußen rief. Deshalb lächelte ich.
Ich ging um die Halle herum, weg von den Schlaftrakten. Der Regen fiel stetig auf das Gras und die Büsche. Die Pfützen glänzten.
MI NU
DIE TÜR DES BUNGALOWS war
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