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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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dort drinnen sind. Der Gong ist groß und hat eine seltsame Dreispitz-Form mit aufwärts gebogenen Ecken. Der Schlegel steckt in einer Spalte zwischen Stamm und Ast. Er ist schwer, aus massivem altem Holz, vermutlich Eiche oder so, mit einem Filzüberzug, um den Gong, den man an den Ecken schlagen muss, nicht in der Mitte, zu schonen.
    Doing!
    Ich spiele wieder ein Instrument. Ich rufe die Meditierenden aus ihrer Trance zurück.
    Doi-oi-oing!
    Ein toller Klang. So laut und lang gezogen. Die Meditierenden werden ihn auf der Haut spüren. Der ganze Körper vibriert, wenn der Gong geschlagen wird. Der Ton geht einem durch und durch. Genau das Gegenteil von einer Sirene. Laut, aber beruhigend. Nein, das Gegenteil eines kleinen, kratzenden Geräuschs, das einen irritiert. Das Nagen nachts im Schlafzimmer. Hinter Kristins Bett. Oder das Tropfen vom Hallendach bei Regen.
    Doi-oi-oi-oi-oing!
    Ich habe meinen Tagebuchschreiber von seinen Schmerzen erlöst. Steh auf und lauf los, alter Mann. Komm, hol dir dein brasilianisches Curry, Ines sei Dank. Dann bedaure ich, dass ich den Satz nicht in sein Tagebuch geschrieben habe.
Deine Schmerzen sind eine Tür, geh hindurch.
Ich meine, ich habe ihn zwar reingeschrieben, dann aber die Seite herausgerissen. Ich bin mutig, aber nicht tollkühn. Ich hasse das. Warum kann ich nicht tollkühn sein und damit basta, oder überhaupt nicht selbstzerstörerisch, sondern vernünftig und heiter? Ein gutes Frauchen für Carl. Warum bin ich nie entweder das eine oder das andere?
    Ich habe sie ganz vorsichtig herausgerissen, auch die kleinen Schnipsel rausgezupft, die in der Bindung hängen bleiben, und das Tagebuch dann wieder dorthin zurückgelegt, wo ich es vorgefunden hatte, nämlich auf den Fußboden neben seinem Bett. Um meinen feigen Rückzieher auszugleichen, durchwühlte ich seinen Koffer, fand einen Umschlag und nahm ihn an mich. Er steckte im Futter einer Seitentasche, ein offener Briefumschlag mit Blättern darin. Ich möchte wissen, warum er einen Frauenkoffer dabeihat, einen roten mit rosafarbenem Innenfutter. Undwieso sind die Notizbücher alle rot? Liebste Susie, begann der Brief. Es war ziemlich aufregend, ihn auch nur in meiner Tasche zu haben.
    In der Küche sind wir Individuen. Und wir sind laut. Wir übertönen mit unseren Stimmen das Geräusch des Mixers. Wir streiten uns. Aber die Meditierenden sind eine schweigende Herde. Wie Kühe, die vom Stall auf die Weide getrieben werden, strömen sie aus der Halle. Ich liebe die Geschäftigkeit des Kochens und Essenzubereitens, genau wie ich die letzten Minuten des Einrichtens auf der Bühne geliebt habe, ehe Zoe ihren Bass anschlug und das Schlagzeug zu scheppern anfing. Ich griff nach dem Mikro. Das Licht ging an, und der pinkfarbene Nebel wallte auf. Aber jetzt wünschte ich, ich wäre Teil der Herde. Wirklich. Wenn ich die Meditierenden so aus der Halle kommen sehe, dann verspüre ich eine starke Sehnsucht, stumm zu sein, zu schweigen. Um den dritten Tag herum fangen die Leute an, langsamer zu gehen. Sie haben akzeptiert, dass sie tatsächlich hier sind, im Dasgupta-Institut, für volle zehn Tage. Es gibt keinen Grund zur Eile. Der Kampf ist vorbei. »Die Leistung der Meditation besteht darin, uns aus der Leistungsmentalität herauszuholen.« Video Tag drei. Sie genießen es, langsam zu gehen, ihre Knie und Knöchel zu öffnen und zu schließen, das Gewicht von links nach rechts und wieder nach links zu verlagern. Ich frage mich, ob mein Tagebuchschreiber seine Schmerzen inzwischen akzeptieren kann, ob er die Tür gefunden hat, durch die er gehen muss, wenn seine Zeit im Institut nicht vergeudet sein soll. Ich wünschte, ich würde diese Tür jetzt öffnen. Ich wünschte, ich würde durch die Schmerzen hindurch auf die andere Seite gehen, die
vipassanā
-Seite. So wie Mi Nu Wai. Mi Nu hat den Schmerz hinter sich gelassen. Selbst wenn sie ihr Haar zurückwirft und aus der Halle stolziert, ist sie noch auf der anderenSeite. Da bin ich ganz sicher. Ich bin sicher, dass es möglich ist, immer dort zu bleiben.
    Zwei Helfer müssen den Meditierenden beim Essen zusehen. Da sie nicht reden dürfen, nicht um etwas bitten können, müssen wir sicherstellen, dass sie haben, was sie brauchen. Sie stolpern aus der Halle, gehen den Weg entlang und dann an den Toiletten und Schlafräumen vorbei in den Speisesaal. Sie sehen wirklich wie eine Herde aus, die zu ihrem Fresstrog trottet. Wir schauen zu, wie sie sich an den Büfetttischen anstellen,

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