Sex ist verboten (German Edition)
sich Curry in ihre Schüsseln schöpfen und sich dann zum Essen hinsetzen. Wenn die Küchentücher ausgehen und sie nichts mehr haben, womit sie sich die Hände abwischen können, holt Kristin eilig eine neue Rolle. Kristin ist ungefähr 30 cm größer als ich. Als sie zurückkommt, hat sie noch einen Stapel frischer Teller mitgebracht, die sie auf den Tisch knallt. Das ist schon das zweite Mal. Ich muss unbedingt mit ihr darüber reden. Wir müssen für die Meditierenden die Stille bewahren. Der ganze Lärm, den wir in der Küche machen, dient dazu, die Stille hier drinnen möglich zu machen.
Die Frauen füllen sich die Teller, setzen sich und starren ins Nichts. Die begehrtesten Plätze sind die Hocker an der Theke unter den Fenstern und entlang der Wände. Dort hat man kein Gegenüber wie am Tisch. Man kann langsam essen, dabei aus dem Fenster auf die Schuppen und Wiesen schauen oder einfach nur die weiße Wand anstarren. Eine weiße Wand ist der perfekte Spiegel für einen ruhigen Geist.
Ich wünschte, ich könnte den Männern beim Essen zusehen. Das wäre interessant. Ich wüsste gern, ob sie genauso reagieren wie die Frauen. Vielleicht mögen sie die Plätze an der Wand nicht. Stell dir vor, Jonathan käme eines Tages zum Meditieren hierher, Jonathan hört sich an, wie Harper völlige Hingabe verlangt,Jonathan senkt den Kopf und akzeptiert alles, Jonathan wird Teil der Dasgupta-Herde.
Oder Carl.
Der Salat muss aufgefüllt werden. Meredith kommt herein mit der Nachricht, dass sie bei den Männern kein Curry mehr haben, und ob wir von unserem etwas abgeben könnten. Trotz der totalen Trennung werden wir von den Männern ausgebeutet. Ein zierliches Mädchen rülpst laut, während sie ihre schmutzigen Teller auf die verschiedenen Stapel sortiert. Klasse. Ich frage mich, ob sie das auch gemacht hätte, wenn Männer im Raum wären. Es ist eine große Erleichterung, nicht okay aussehen zu müssen für einen Mann, nicht über die Kleidung oder das Make-up nachdenken zu müssen. Andererseits habe ich mich immer gern geschminkt. Ich schaue mir auch gern andere geschminkte Frauen an. Zoe und ich hatten immer den totalen Spaß vor den Konzerten. Sie mit ihrem schwarzen Cowboyhut und den riesigen Augen. »Lass mich deinen Lippenstift auftragen«, bat sie. »Bitte, Beth, lass es mich machen.«
NICHT STARK GENUG
DIE PRIVATSPHÄRE HAT IM Dasgupta-Institut keine Priorität. Wenn man kein Ich hat, wozu muss man dann allein sein? Seit acht Monaten teile ich mir ein Schlafzimmer mit anderen Helferinnen, manchmal sogar mit vieren auf einmal, Frauen oder Mädchen, die schnarchen oder schniefen. Ich habe beim Meditieren auf dem dritten Platz von außen in einer Achterreihe gesessen, sechs Reihen dahinter, zwei davor. Ich habe mit anderen gekocht, für andere gekocht, hinter anderen hergewischt, die Reste von anderen gegessen, wenn sie schon kalt waren. Das alles macht mir nichts aus. Ich hatte mich hier eingerichtet, um zu beobachten, wie ich mich verändere. Vielleicht könnte aus mir so eine Art Mystikerin werden, trotz meiner Lust am Singen und Tanzen. Ich habe im Dasgupta-Institut Visionen gehabt. Ich bin durch Wände gegangen, habe gespürt, wie sich hinter meinen Augen andere Augen öffnen, und weitere Augen gesehen, die noch tiefer lagen und durch die Dunkelheit zu mir heraufstarrten. Ich bin glücklich gewesen hier. Dann habe ich das Zimmer eines Mannes betreten, ein Tagebuch aufgeschlagen und einen Stift in die Hand genommen.
Jetzt bin ich so aufgekratzt und nervös, als hätte ich gekokst. Und gespannt. Nach dem Mittagsdienst wollte ich eigentlich aufs Klo gehen und den Brief lesen. Ich habe sogar vor mich hin gepfiffen. Vielleicht stand ich kurz vor einer großen Entdeckung.Aber was denn für einer? Und wer schert sich darum? Wer schert sich um diesen Typen und sein großes Dilemma? Das ist doch lächerlich. Ich machte die Klotür auf, hielt inne, schloss sie wieder und ging weg. Zuerst dachte ich, ich wollte es mir bis nach dem Essen aufsparen. Ich war den ganzen Morgen aufgeregt gewesen wegen dieses Briefes in meiner Tasche, da konnte ich das Gefühl ebenso gut noch ausdehnen und ihn später lesen, wenn ich genug Zeit hatte, die Sache zu genießen. Dann wurde mir klar, dass ich dachte, ich sollte ihn vielleicht gar nicht lesen. Es könnte zu viel sein. Mir war etwas eingefallen:
Unser Geist ist nicht stark genug, um das richtige Verhältnis zu gewissen Dingen zu haben.
Harper hatte das gesagt, schon vor einer
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