Sex ist verboten (German Edition)
vor? Greif zu. Mach es. Carl hat mich geliebt, wirklich geliebt. Als ich Jonathan sagte, es gäbe die Liebe gar nicht, habe ich erkannt, was sie ist.
Ich würde alles geben,
hat mein Tagebuchschreiber geschrieben. Wer hat sich nicht schon mal betrunken ans Steuer gesetzt? Wer hat nicht riskiert, jemanden zu töten oder getötet zu werden? Verdammt.
»Versuchen Sie nie, Ihren Atem zu regulieren. Wenn der Atem durch das linke Nasenloch geht, dann lassen Sie ihn durch das linke Nasenloch gehen. Wenn er durch das rechte Nasenloch geht, lassen Sie ihn durch das rechte Nasenloch gehen. Beobachten Sie nur. Nur beobachten.«
Zwischen langen Pausen durchbricht Dasguptas Stimme das Schweigen.
»Die Dinge sind so, wie sie sind,
wie sie sind,
nicht so, wie wir sie gern hätten. Der Atem, wie er ist.
Wie er ist.
«
Ich kann nicht still sitzen, wenn ich denke. Ich verspanne mich. Je mehr ich nicht denken will, desto mehr verspanne ich mich. Ich denke an das Verspannen. Alles schmerzt und krampft, weil ich denke. Die Gedanken sind in meinen Knöcheln, jetzt sind sie bis zu den Oberschenkeln hochgekrochen, schlechte Gedanken, sie packen mich an den Schultern, sie bohren ihre Daumen in meinen Nacken. Gedanken sind Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen. Ich denke daran, wie ich ans Verspannen denke. Ich fange an, alles zu
hören.
Jedes Schniefen, Scharren und Hüsteln. Marcia, wie sie in ihren Nylonhosen auf den fetten Pobacken herumrutscht. Schnauf schnaub schnauf schnaub. Regentrommeln. Am anderen Ende der Halle gähnt ein Mann. Ziemlich laut. Und noch mal. So laut, dass es schon wieder lustig ist. Und
noch
mal! Er macht es absichtlich. Ich lasse meinen Blick nach links wandern. Ja, der Kursmanager der Männer läuft eilig durch den Gang. Er wird ihn ermahnen.
Ich kann nicht weitermachen. Die Schmerzen in meinen Knöcheln sind schlimmer geworden. Die Gedanken in meinen Knöcheln. Schlechte Gedanken. Jonathan. Schmerzen sind eine Tür. Heute verschlossen. Schmerzen sind eine verschlossene, verriegelte Tür. Man kann nicht hindurchgehen. Verbotenes Terrain. Und dann das Tröpfeln. Das Wasser tropft vom Dach miteinem dumpfen Plitsch auf den Teppich, hinter mir, ein Stück weiter rechts. Etwa zwei Meter entfernt. Ich ändere während der Festen Entschlossenheit
nie
meine Position. Nie. Helfer sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Alte Schüler sollten in der Lage sein, eine Stunde schweigend auszuharren.
Plitsch.
Der Schmerz schweißt meine Waden zusammen. Schmerzhafte Gedanken. Ich kann mich nicht entspannen. Ich bin jetzt eins mit meinem Tagebuchschreiber. Also wieder da, wo ich am ersten Tag war.
Sankhara. Sankhara.
Die unheilsamen Handlungen der Vergangenheit kommen in Form von Schmerzen wieder hoch, wenn wir meditieren. Wie kann man so einen Mist glauben? Aber es ist so. Es stimmt. Ich spüre, dass es stimmt. Geisterworte kommen zurück. Schmerzen sind Eiter, der aus alten Geschwüren gedrückt wird, aus altem Verrat. Ich war sehr geschickt im unheilsamen Handeln, sehr gut im Ausspielen von Freunden, Eltern und Produzenten. Jetzt kommen ihre Worte zu mir zurück. Grausame Worte. Freundliche Worte. Die freundlichen Worte sind die grausamsten. Sei glücklich, Beth, sei friedlich, sei befreit, be-freit, befreit. Du bist jetzt in der Gegenwart, Beth. Nicht in der Vergangenheit. In der Gegenwart, in der es keine Konflikte gibt. Hier in der Meditationshalle gibt es keine Entscheidungen. Alle Erinnerungen, alle Pläne sind Schall und Rauch. Dein Tagebuchschreiber ist Schall und Rauch. Seine Tochter Schall und Rauch. Jonathan Schall und Rauch. Carl Schall und Rauch. Dad Schall und Rauch. Beth Schall und Rauch. Schall und Rauch die Nacht am Strand, die Nacht am Strand. Philippe. Hervé. Die Schreie. Die Brandung.
Trotz all der Mordgeschichten? Du lieber Himmel.
Links von mir sitzt Kristin, still wie das Grab. Sie ist weder glücklich noch ruhig, aber sie ist still. Woher will ich das wissen?Woher will ich wissen, dass sie auch Probleme hat? Ich weiß es. Sie hat Probleme, aber sie geht sie an, sie sitzt sie aus. Ihr Rücken ist gebeugt. Ihr Kopf fällt leicht zur Seite. Meredith sitzt aufrecht und gefasst da. Meredith ist ein Mädchen, das keine Mühe hat, die Schule zu beenden. Ihr Rücken ist kerzengerade. Sie balanciert ein Buch auf dem Kopf. Mühelos. Sie zeigt sich von ihrer besten Seite, sie ist eine vorbildliche Schülerin. Meredith lernt ihre Lektion, weil ihre Eltern dafür bezahlt haben, selbst wenn man nichts bezahlen muss,
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