Sex ist verboten (German Edition)
werden größer. Vielleicht sind Gedanken Schalen. Von der Oberfläche des Geistes geschält und weggeworfen. Denk an alle Gedanken deines Lebens. Du bist die Frucht darunter. Du schälst und schälst, in jedem Moment wird ein Gedanke abgeschabt, und doch kommst du nirgendwo an. Kein Ich, nur Gedanken, die abgeschält werden.
Ist das die Bedeutung von
anattā?
»Machen wir es einfacher: wenn Porree und Kohlkopf zur Auswahl stehen, was ist Paul dann?«
»Ein Kohlkopf!«, sagt Stephanie.
»Ich bin dran«, ruft Meredith. »Wenn Brokkoli oder Zwiebel infrage kommen, dann ist Mrs. Harper …?«
»Mrs. Harper ist eine Aubergine. Das ist doch offensichtlich. Oder vielmehr
zwei
Auberginen.«
Ich tat so, als hielte ich sie knapp über dem Bauch vor mich. Meredith lachte sich schlapp.
»Und Mi Nu ist ein Spargel. Ein so weißer, dass man fast hindurchschauen kann.«
»Davon stinkt die Pisse.«
Wir sind alle am Kichern, als Mrs. Harper sagt: »Ist das rechte Rede, Mädchen?«
Sie steht traurig lächelnd hinter uns. Hoffentlich hat sie das mit den Auberginen nicht gehört. Meredith entschuldigt sich in vornehmem Tonfall. »Sorrii«, sagt Stephanie.
Wenn ich es mir recht überlege, dann hoffe ich, sie hat es doch gehört.
Mrs. Harper sagt: »Der weise Mann spricht nur, wenn seine Worte nutzbringend sind. Seine Rede ist wohlüberlegt.«
Sie sagt das für mich, nicht für die anderen. Die anderen sind ihr scheißegal.
Ich bleibe über den Sellerie gebeugt. »Aber wir sind ja keine Männer, nicht wahr, Mrs. Harper? Wir sind Mädchen.«
Sie betrachtet mich.
»Aber Sie möchten trotzdem weise sein, Elisabeth.«
»Kann man sich das aussuchen?«
»Sie haben es sich bereits ausgesucht, Elisabeth. Das wissen Sie genau.« Sie lächelt. »Eigentlich bin ich gekommen, um vorzuschlagen, dass Sie um sechs mit Marcia die Service-Rede anhören gehen. Vorausgesetzt natürlich, Ihr kleines Problem hat sich inzwischen erledigt.«
Wovon spricht sie?
»Das Problem, das Sie gezwungen hat, die Stunde der Festen Entschlossenheit so eilig zu verlassen.«
Immer hat sie dieses nachsichtige Lächeln im Gesicht.
»Ach so, ja.«
Ich fange mit dem Zwiebelpellen an. Zehn große Zwiebeln. Während ich die knisternde braune Haut abziehe, warte ich darauf, dass meine Augen zu tränen anfangen. Zwiebeln sind eindeutig kein Produkt, das man einfach aus der Plastikverpackung in den Kochtopf verfrachtet. Eine Zwiebel schlägt zurück. Man hackt sie klein, aber das hat seinen Preis. Jonathan war eine Zwiebel. Innen schlüpfrig und vielschichtig. Ich bin nie zum Herzen vorgedrungen. Carl war eine Backkartoffel. Mit geschmolzener Butter. Jetzt lächle ich durch die Zwiebeltränen hindurch. Was auch immer Mum und Dad waren, bei ihnen ist längst das Haltbarkeitsdatum abgelaufen.
Als Mrs. Harper weit genug weg ist, flüstert Stephanie: »Und du, Beth?«
»Was ist mit mir?«
»Welches Gemüse bist du?
« Ich lachte. »Ich bin natürlich eine Rote Bete.«
Du färbst alles rot, Beth, sagte Jonathan. Wirklich. Du färbst die ganze Welt rot.
EDLE WAHRHEITEN
DIE DINGE SPITZEN SICH ZU . Warum? Stimmt das wirklich? Ich bin so aufgeregt. Ganz außer mir.
Ich bin gefangen. Nicht in einem Käfig. In einem Prozess.
Die Worte meines Tagebuchschreibers. Mitternacht, ein, zwei Uhr, drei. Tag vier inzwischen. Im Zimmer der weiblichen Helfer, in der Küche, im Speisesaal. Im Zimmer der männlichen Helfer. Warum nicht? Auf der Suche nach Papier. Die Männer haben eine Dose Schokoladenkekse. Wie ist die dort hingekommen? Ich schreibe auf die Rückseite von Aufnahmeformularen für Helfer. Auf Dienstpläne. Auf die Hygieneregeln für die Küche.
Reste dürfen einmal aufgewärmt werden, einmal und nicht öfter.
Ganz meine Meinung. Und trinke Roibuschtee. Ich hasse Roibuschtee. Aber ich liebe Schokoladenkekse. Mhmm. Sie werden niemals eins der Mädchen verdächtigen. Ich weiß noch, wie Zoe das gesagt hat. »Niemand wird vermuten, dass es ein Mädchen ist, Beth.« Jonathan hatte mir in den Nacken gebissen. Ich erzählte Carl, dass es Zoe war. »Sie ist total verrückt, das weißt du doch. Sie hat mich einfach gepackt, geküsst und zugebissen.« Jonathan konnte es kaum glauben. »Du bist genial, Beth.« Ich meine, er konnte kaum glauben, dass
Carl
es geglaubt hat. »Du kennst Zoe nicht«, erklärte ich ihm. »Ich wünschte, ich würde sie kennen«, sagte er. Und ich wünschte, ich könnte mich von all dem befreien. Mich befreien, befreien von diesem ganzen Mist, der
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