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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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spürte ich den Wind zwischen meinen Oberschenkeln und hörte das Krachen der Brandung, und ich wollte Teil davon sein, oder das Meer sollte mich für immer zerreißen.

LASS MICH ANDERS WERDEN
    ICH WAR AUF DER TOILETTE . Vorher noch ein langes
jhāna,
in dem ich durch die Räume meines Körpers wanderte, Türen öffnete, Treppen hinauf stieg, an Fenstern stand, vor denen immer Sonnenuntergang ist, und dann war ich plötzlich wieder da, ich war zurückgekehrt, ich dachte: So hört
jhāna
auf. Die Stille teilt sich wieder in Wörter, voneinander getrennte Wörter, alles wird scharf und ausgeprägt, und ich denke wieder und die Zeit geht weiter. Vermutlich bringt die Erleuchtung den Frieden von
jhāna
in diese Gegenwart, bringt die wortlose, zeitlose Ganzheit hinein in die Normalität des Entscheidens und Handelns. Ich weiß nicht, wie das möglich sein soll. Ich kann es mir nicht vorstellen. Aber ich hätte mir auch
jhāna
nicht vorstellen können, wenn ich die Dasgupta-Technik nicht gelernt hätte. Ich hätte mir niemals diese Stille und die Strömungen in der Stille vorstellen können. Mi Nu muss es wissen. Wie fühlt die Erleuchtung sich an, Mi Nu? könnte ich sie fragen. Das wäre eine gute Frage.
    Vermutlich hoffte ich halb, die Kursbetreuer würden bemerken, dass ich seit vier Uhr morgens dort saß, den ganzen Tag, ohne Pause, ohne Frühstück, ohne Mittagessen, und es Mrs. Harper und Mi Nu sagen, und dann würde jemand kommen, mir auf die Schulter tippen und mich daran erinnern, dass das Fasten im Dasgupta-Institut verboten ist. Dann wäre ich gezwungen aufzustehen und etwas zu essen. Ich wusste nicht, ob ichmir das wünschte, oder ob ich tatsächlich entschlossen war, bis zur Erleuchtung so zu sitzen, oder bis zum Jüngsten Tag, oder wenigstens so lange, bis eine ernsthafte Veränderung eintrat, etwas, das mich endlich aus dieser Falle, in die ich geraten bin, befreien würde – aber das sind Sachen, die der Tagebuchschreiber geschrieben hat –, nein, ich wusste nicht, was ich wollte, aber ich hoffte irgendwie, dass Livia oder Mrs. Harper kommen und mich zum Essen zwingen würden. Ich würde das Essen genießen, selbst wenn ich hinterher auf mich selbst wütend wäre, weil ich nicht bis zum Umfallen sitzen geblieben war.
    Aber das geschah nicht. Niemand kam. Niemand tippte mir auf die Schulter. Vielleicht liegt es daran, dass Mrs. Harper nichts mehr mit mir zu tun haben will. Sie hat Angst, weil sie sich so stark zu mir hingezogen fühlt. »Dein Körper ist fantastisch, Beth«, sagte Jonathan. »Du machst mir Angst.« Aber dann war ich plötzlich trotzdem auf den Beinen. Ohne eine Entscheidung getroffen zu haben, kaum aus der Trance erwacht, sprang ich auf. Die Halle war voll, voll von Seufzern und einer Art weicher, pulsierender Stille. An den letzten Tages eines Retreats wird es stiller. Die Teilnehmer versinken tiefer. Sie haben gelernt, zu sitzen und still zu sein. Kristin war links neben mir, sie kniete, die Arme hingen locker zu beiden Seiten herunter. Marcia saß krumm. Dann Meredith, und Stephanie. Alle saßen auf ihren Plätzen. Ich wandte nicht den Kopf, um zu den Männern hinüberzuschauen. Erstaunlicherweise fühlten sich meine Beine gut an, auch meine Füße. Keine Nadelstiche, und auf die Toilette musste ich auch nicht dringend.
    Draußen brach der Himmel langsam auf. Das Sonnenlicht auf dem nassen Weg war blendend hell. Ein frischer Wind berührte mich überall. Er bewegte sich unter meinen Kleidern wie sanfte Hände. Dann wurde ich von Tönen erfüllt. Ein Vogelzwitscherte, Blätter raschelten. Der Vogel befand sich in mir. Die Blätter raschelten in meinen Fingern. Ich bahnte mir einen Weg zwischen den Pfützen hindurch zu den Toiletten, aber es fühlte sich nicht so an: es fühlte sich an, als ob der Weg mir entgegenkam, er schlängelte sich hier lang und da lang, um sicherzustellen, dass Beth nicht nass wurde. Liebster Weg. Und der Türgriff zog meine Hand zu sich hinauf und öffnete die Tür, um mich hineinzuziehen, und erst als ich tatsächlich auf dem Sitz saß, merkte ich, dass ich kaum geblutet hatte. Kein Blut. Seltsam. Wann war meine Periode je so kurz gewesen? Es sei denn, durch das Meditieren hatte sie vorübergehend ausgesetzt und jetzt würde das Blut wieder fließen.
    Ich pinkelte, oder vielmehr, der Urin kam. Gekackt habe ich nicht. Ich zitterte und fragte mich, was ich tun sollte. Jetzt war mir kalt. Aber ich war ganz klar im Kopf, ganz ruhig. Du hast elf Stunden gesessen,

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