Sex ist verboten (German Edition)
Karma wächst und wächst. Wo wird es enden? Wann werden wir frei sein?
Mein Körper setzte sich neu zusammen. Er war in der Brandung auseinandergefallen. Meine Nase war von meinem Gesicht weggetrieben. Meine Lippen waren wie Aale davon geschwommen. Lass sie ziehen, lass sie ziehen. Meine Augäpfel wurden imKies hin und her gewälzt. Meine Haut flattert und wogt mit dem Seetang in der Strömung der Flut. Wie können wir diese wahnsinnige Vervielfältigung aufhalten? fragt Dasgupta. Wie können wir unserem Elend entkommen?
Stunde um Stunde, selbst in der tiefsten Meditation, kehrten die alten Geschichten zurück. Das war noch nie passiert. Vorher war ich in meiner Trance sicher gewesen. Ich konnte mich dort verstecken. Doch jetzt erfüllten Jonathan und Carl meine Gedanken, das ungezügelte Konzert, der nächtliche Rausch, Zoe, Dad, Mum. Ich dachte, das Meer würde reinigend wirken, aber jetzt bringt jede Flut nur neues Treibgut mit sich.
»Wie können wir die
sankharas
davon abhalten, sich zu vervielfältigen?«, fragt Dasgupta. Ich sitze in meinem Dreck, und seine Stimme fließt durch mich hindurch.
»Indem wir diesen Samen des Elends keinen fruchtbaren Boden geben, auf dem sie wachsen können, meine Freunde. Das ist die Antwort. Indem wir ihnen die Nahrung verweigern.«
Und ist das Meer ein fruchtbarer Boden? Ich wälze mich seit Monaten in diesem Wasser. Sollte es mich nicht längst reingewaschen haben?
»Es ist ganz einfach«, sagt Dasgupta. »Das hat der Buddha verstanden. Es ist ganz klar, ganz einfach. Wenn wir aufhören, neue
sankharas
zu erzeugen, dann kommen die alten an die Oberfläche und lösen sich in Luft auf. Das mag schmerzhaft sein, meine Freunde, aber es klappt. Es geschieht automatisch. Es ist ein Naturgesetz. Oder wie bei einer altmodischen Uhr: sobald man sie nicht mehr aufzieht, spult sie sich ab. Wie eine Feder, die nach Jahren der Anspannung losgelassen wird. Erzeugen Sie einfach keine neuen
sankharas,
keine neuen Anhaftungen, keine neuen Aversionen, ziehen Sie das Uhrwerk ihres Elends nicht mehr auf, werfen Sie keinen neuen Dreck mehr auf die Wäsche.«
Ich habe mich ins Meer gestürzt. Warum haben sie sich die Mühe gemacht, mich zu retten?
»Plötzlich ist alles ganz klar«, sagt Dasgupta. »Wenn wir nur lernen, die Dinge so zu akzeptieren,
wie sie sind,
nicht, wie wir sie gerne hätten, wenn wir nur aufhören können, neue
sankharas
des Verlangens und der Aversion zu erzeugen, dann können wir aus diesem Kreislauf von Unwissenheit und Elend ausbrechen. Dann können wir uns befreien.«
Dasgupta glaubt an das, was er sagt. Er ist kein Heuchler. Aber als ich versucht habe aufzuhören, habe ich alles nur noch schlimmer gemacht.
»Sie müssen den gegenwärtigen Moment meistern«, sagt Dasgupta. »Die Zukunft ist das Kind der Gegenwart. Meistern Sie die Gegenwart, und die alten
sankharas
werden sich abspulen und auflösen. Meistern Sie die Gegenwart, dann wird die Zukunft glücklich sein, dann wird die Zukunft friedvoll sein. Dann werden Sie befreit werden.«
Wie? Ich sitze seit Stunden im halben Lotussitz. Die Dämmerung wird dichter. Das spüre ich. Das Video nähert sich dem Ende. Ich kenne diese Videos. Ich weiß, wie sich Dasguptas Stimme verändert, wenn er sich dem Ende nähert. Jetzt erzählt er von dem zornigen alten Mann, der zum Buddha ging, um sich darüber zu beschweren, dass seine Lehren die Menschen vom Beten abhielten. »Vielen Dank, aber ich werde dein Geschenk des Zorns nicht annehmen«, sagte der Buddha zu ihm. »Nimm es wieder mit, alter Mann. Es ist dein Zorn, nicht meiner. Ich will ihn nicht haben.«
»Meistern Sie den gegenwärtigen Augenblick, meine Freunde«, sagt Dasgupta. »Den gegenwärtigen Augenblick. Nehmen Sie keine Geschenke des Zorns an. Reagieren Sie nicht auf Schmerz, Freude, Provokationen, Versprechungen. VerstehenSie? Es ist ganz einfach, wenn man es einmal verstanden hat. Reagieren Sie nicht auf angenehme oder negative Gedanken. Das ist der Weg der Unwissenheit und der Beschränktheit. Achten Sie auf Ihren Atem. Achten Sie auf Empfindungen. Achten Sie auf Gedanken. Einfach nur darauf achten. Achten Sie darauf, aber reagieren Sie nicht. Reagieren Sie niemals. Arbeiten Sie hart an der Technik, dann werden Sie zweifellos Erfolg haben, oh ja, Sie werden Erfolg haben.«
Wenn der gegenwärtige Augenblick ein tosendes Meer ist, wie soll ich ihn dann meistern? Wenn die Brandung um mich herum so viel Dreck aufwirbelt, wie soll ich da keine Aversion
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