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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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ist die Sonne, deren Anziehungskraft das Ganze zusammenhält; sie wird von Planeten auf immer ferneren Bahnen umlaufen, von vorehelichem Sex über Sexarbeit bis zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen, der äußersten Grenze in den dunklen Randgebieten des Kosmos. Um diese Welt zu verstehen, müssen wir sie erkunden. Beginnen wir mit ihrem glühend heißen Kern: dem Eheleben.
     
    * Eine alte Währungseinheit, ein Vierzigstel eines Piasters, heute die kleinste Stückelung der ägyptischen Währung.
     
    ** Trinkgeld.

2  
DESPERATE HOUSEWIVES
     
Eine Frau sagte zu ihrer Tochter: »Ich bin froh, dass du jetzt in ehrbarer Weise verheiratet bist.« Ihre Tochter antwortete: »Mutter, ich wünschte, ich könnte wieder so schamlos leben wie früher.«
    Meine Großmutter, über die Ehe
     
    Als ich 2008 nach Kairo zog, stellte mich eine gemeinsame Freundin Azza vor, einer Ägypterin, die sich erbot, mir Arabischunterricht zu geben. Trotz ihres Humors und ihrer Wissbegierde wunderte sich Azza zunächst ein wenig über den Wortschatz, den ich lernen wollte: Ich bin mir sicher, ich wäre genauso misstrauisch, wenn eine Schülerin von mir ein solch ausgeprägtes Interesse daran hätte zu erfahren, wie Genitalien, Abtreibung oder Akte sexueller Gewalt auf Englisch heißen. Mit meinem Wissen über ägyptische Empfindlichkeiten beschloss ich, nur wenig über mein Forschungsprojekt verlauten zu lassen, wodurch ich bei Azza den Eindruck erweckte, ich interessierte mich nur für Freizeit und Erholung, und die Vorstellungen der Einheimischen darüber bestätigte, was geschieht, wenn wohlanständige ägyptische Mädchen in den Westen gehen.
    Doch als wir uns dann besser kennenlernten und ich ihr mehr von meiner Arbeit erzählte, wuchs Azzas Neugierde. Obwohl sie zuerst noch ein bisschen schüchtern war, begann sie schon bald Fragen zu stellen und von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten. Bald darauf stellte sie mich Verwandten und Freunden vor als » Doctur a Shereen, die Dame, die Reproduktionsmedizin und eheliche Beziehungen erforscht« – eine höfliche Umschreibung für »Sex«. Dies erwies sich als die ultimative Visitenkarte, ein Sesam-öffne-dich für die Schatztruhe der Sexualkultur.
    Jede Woche bescherte mir jetzt neue Erzählungen über die »Sexualangst« von Azza und ihrem Kreis, gleich einem modernen Tausendundeine Nach t : die Nachbarin, die ihren Mann im Schlafzimmer dabei erwischte, wie er Telefonsex mit ihrer Freundin hatte; die Schwester, die auf dem Laptop ihres Ehemanns Pornofilme fand und den Spieß umdrehte, indem sie heiße Fotos von sich selbst hochlud – zu seinem großen Entsetzen; der ältere Bruder, die seine Frau per SMS verstieß, als sie ihn nicht ranließ, und der sich jetzt eine zweite, schärfere, quasioffizielle Ehefrau zugelegt hat; der jüngere Bruder, der seine Braut, als sie in der Hochzeitsnacht einen Hauch von Eigeninitiative zeigte, aus dem Bett zerrte und sie auf den Koran schwören ließ, sie sei bis zu dieser Stunde gänzlich unbeleckt; die Schwägerin, deren Gemahl den Liebesakt so kurz und heftig vollzieht, dass es fast einer Vergewaltigung gleichkommt.
    Azza ist eines von acht Geschwistern, in deren Eheleben sich die Veränderungen widerspiegeln, die Ägypten und viele seiner arabischen Nachbarn in den letzten fünfzig Jahren durchmachten, aber auch die Spannungen, die sich bei den Aufständen im Jahr 2011 auf den Straßen entluden. Azza, die heute in ihren Vierzigern ist, ist ein Kind der infita h , der Politik der »offenen Tür«, die Präsident Anwar Sadat seit den frühen 1970er Jahren betrieb. Unter seinem Vorgänger, Gamal Abdel Nasser, waren weite Teile der ägyptischen Volkswirtschaft im Namen der nationalen Entwicklung verstaatlicht worden. Sadat korrigierte diese Politik, öffnete die ägyptische Wirtschaft den Weltmärkten, und dieser Prozess beschleunigte sich noch unter der dreißigjährigen Ägide seines Nachfolgers, Hosni Mubarak.
    Einige Leute wurden durch die infitah sehr reich; einer Schätzung zufolge gehören 10 Prozent der Bevölkerung fast 30 Prozent des Volksvermögens, während 20 Prozent unter der Armutsgrenze von zwei Dollar pro Tag leben. 1 Diese Superreichen standen wegen ihrer engen Verbindungen zum Regime Mubarak während des Aufstands in der Schusslinie, und viele von ihnen finden sich inzwischen wegen Korruptionsvorwürfen hinter Gittern wieder. Unterdessen hat die Armut nicht abgenommen, und die große Kluft zwischen Arm und Reich innerhalb der

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