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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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Sexualität, worum sich viele der Schriftsteller und Pädagogen in diesem Buch bemühen. Es genügt nicht für Ägypten und seine arabischen Nachbarn, UN-Sitzungen aus Protest zu verlassen, gegen westliche Werte zu schimpfen oder die Probleme im Inland in Abrede zu stellen. »Sag einfach nein« ist kein zukunftsweisender Weg. Was die arabische Region dringend benötigt, ist ein kohärenter, positiver intellektueller Bezugsrahmen für Sexualität. Arabische Denker besaßen einst ein Verständnis von Sexualität, das sowohl der Religion als auch der Wissenschaft Rechnung trug und das ihrem Zeitalter entsprach, doch es gibt kein Zurück; ihre Nachfolger im 21. Jahrhundert müssen dringend ihr eigenes Verständnis erarbeiten, eines, das unserer Zeit gerecht wird.
    Ein solcher Bezugsrahmen würde eine systematischere Herangehensweise an die Sexualität erlauben. Gegenwärtig findet die Sexualität nur dann öffentliches Gehör, wenn es zu einer Tragödie oder einem Skandal kommt. Die Medikalisierung der Sexualität durch Krankheit oder Funktionsstörung bietet einen seriösen, gesellschaftlich akzeptierten Rahmen für die öffentliche Diskussion, aber sie wirkt auch begrenzend, da sie eine breite Palette von Fragen und Gruppen ausklammert, die eine umfassendere Konzeption von Sexualität einbeziehen würde. Die Herausforderung besteht hier darin, Sexualität von einem Problem, das gelöst werden muss, in eine Quelle von Lust und Kreativität zu verwandeln.
    Der Schlüssel zu einem Einstellungswandel in Gender- und Sexualitätsfragen in der arabischen Region ist eine dynamische und unabhängige Zivilgesellschaft, die sowohl weitgehend Handlungsfreiheit genießt als auch die Unterstützung von Regierung und Gemeinschaften, die die Zielgruppen von NGO-Aktivitäten sind. Es gibt eine Vielzahl bahnbrechender Initiativen im arabischen Raum, von denen ein paar in diesem Buch erwähnt wurden. Die Schwierigkeit liegt darin, diese Projekte auszuweiten, damit sie die Breitenwirkung erzielen, die sie verdienen. Während eine bessere Vernetzung wichtig ist, kommt es entscheidend auf eine nachhaltige, ausreichende Finanzierung an. Doch die Zeiten sind hart: Westliche Regierungen und wohltätige Organisationen kürzen ihre Fördergelder in vielen Bereichen – zum Beispiel der HIV-Bekämpfung und der Familienplanung – und gefährden dadurch viele hervorragende Projekte in der Region.
    Bestimmte Aspekte der sogenannten Hilfskonditionalität, bei der Geberländer wie die USA oder Großbritannien ihre Finanzhilfe an inländische Reformen im politischen und praktischen Umgang mit LGBT-Gruppen und anderen sexuellen Rechten knüpfen, erwiesen sich als eher kontraproduktiv. Leider verstärkt eine solche Haltung nur das Vorurteil, dass diese Initiativen vom Ausland aufoktroyiert werden. Neue Finanzierungsquellen aus der Region selbst werden dringend benötigt, um die hervorragende Arbeit, die schon heute geleistet wird, zu unterstützen und zu erweitern. Wohlhabende Golfstaaten haben zweifellos eine dicke Brieftasche, aber sie haben auch ihre eigene Agenda. Die Hoffnung, sie und andere dazu zu bewegen, Programme zum Beispiel im Bereich Sexualität zu finanzieren, mag allzu optimistisch erscheinen, aber es ist nicht von vornherein vollkommen aussichtslos; wie wir in den Fällen sexueller Belästigung und Sexualerziehung gesehen haben, ist es möglich, selbst gesellschaftlich brisante Themen in einer Weise zu verpacken, die sie als Geschenk, nicht als Bürde erscheinen lassen.
    Dies ist zugegebenermaßen die rosige Einschätzung einer liberalen Muslima darüber, wie sich das Sexualleben in Ägypten und der weiteren arabischen Region in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte. Ich weiß, dass manche befürchten, die unerwarteten Umwälzungen der politischen Ordnung und der damit einhergehende Aufstieg des Islamismus werde für einige Länder Freiheit, Rechenschaftspflicht, Offenheit und Gleichberechtigung in noch weitere Ferne rücken lassen, während sich religiös sanktionierte Normen durchsetzen, und die gesellschaftlich auferlegten Einschränkungen der letzten Jahrzehnte – die vor allem Frauen und junge Menschen betreffen – könnten als formale Rechtsvorschriften noch wirkmächtiger sein. Ich persönlich bin jedoch davon überzeugt, dass die Ägypter – ob Muslime oder Christen –, wenn man sie frei gewähren lässt, schließlich zu einer pragmatischeren, nachsichtigeren und offen lustbejahenden Interpretation ihrer Religion

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