Sex und Folter in der Kirche
genehmigt und zugleich den »Mut zur Erziehung« propagiert? Wie dieser sich in konkreter Folter
ausnimmt? Kinder werden - von ihren »Erziehungsberechtigten« !
— an Ästen und Dachsparren aufgehängt, ins (eiskalte oder heiße) Wasser getaucht, in einen Sack geschnürt, in Keller und Klosett gesperrt, aus dem Haus gestoßen (mit einem Koffer in der Hand), aus dem Auto gesetzt, das weiterfährt. Drohungen sind an der
Tagesordnung: Ihr werdet schwarz, Gott erschlägt euch, das
Christkind bringt nichts, wir geben euch Gift, Wasser und Brot, böse Tiere holen euch!110
• Die Unaufrichtigkeit der Eltern, die Gewalt strikt ablehnen, schon um ihre Kinder zu schützen, und gleichzeitig die in Videos gespeicherte Gewalt verschenken, die Kids gleichsam im Spiel
lernen läßt, daß der eine den ändern nur massakrieren muß, um zu überleben, und man bloß auf einen Knopf zu drücken braucht, um ein neues Leben zu erlangen?
• Der Hohn einer Gesetzgebung, die in Präambeln über das Kin-deswohl schwelgt und sich wenig um das Wohnelend kümmert,
um die kinderfeindliche Siedlung, die kindfern gestalteten Fami-lienwohnungen, die Situation des spielenden Kindes, das auf den Ball und das vorbeirasende Auto zu achten hat?
• Die schnöde Moral einer Gesellschaft, die Obst vernichtet, Ge-müse, Getreide, die Land vergammeln läßt, um die Preise auf dem Weltmarkt zu halten, und Brot sammelt für die Welt?
• Die Doppelzüngigkeit eines Staates, der Riesensummen für die Verkehrssicherheit ausgibt, immer strengere Geschwindigkeits-kontrollen androht, doch als einziger Industriestaat der Welt und als einziges Land in Europa auf seinen besten Straßen jeden so schnell rasen läßt, wie er will?
• Die Argumentationslist des ADAC, der eine Tausende von Toten 42
kalt in Kauf nehmende »freie Fahrt für freie Bürger« einfordert und die erwähnte Nutzung Toter für Crashtests als ethisch nicht vertretbar klassifiziert?111
• Die Hinterhältigkeit, die sich zwei Tage im November 1993 über Crashtests mit Kinderleichen erregt, doch die jahrelangen tausendfachen Crashtests mit lebenden Kindern auf den Straßen
hinnimmt?
• Das doppelte Spiel mit der Totenruhe, die von Staatsanwälten eingefordert wird, wenn ein Fall von Leichenfledderei ansteht, die aber von Definition wegen außer Kraft gesetzt ist, falls es um Mumien in Museen — oder den »Ötzi« — geht?
• Die spitzfindige Definitionsmacht, die die folgende Praxis bei Fehlgeburten legitimiert: Kinder, die länger als fünfunddreißig Zentimeter sind, werden beerdigt; kleinere werden entsorgt oder in Forschung und Industrie verbraucht, weil sie es nicht schafften, eine Leiche im Sinne der Vorschrift abzugeben?112
Und die überzeugten Christen? Ihre Hirten gar? Ob wenigstens sie eine Ausnahme machen? fragen viele, die es nicht glauben wollen.
Der große schottische Philosoph David Hume gab vor Jahrhunderten eine Antwort: »Mögen auch alle Menschen dann und wann ein religiöses Bedürfnis verspüren, so gibt es doch nur wenige oder keinen, die es in jenem Grade und mit jener Beständigkeit besitzen, die für die Ausübung dieses Berufs notwendig wäre. Die Religiosität von Priestern ist also nur in den wenigsten Fällen ›natürlich‹, vielmehr sind sie gezwungen, mehr Hingabe vorzutäuschen, als sie tatsächlich besitzen, um den Anschein von Inbrunst und Ernst-haftigkeit zu behaupten, selbst wenn sie von den Übungen ihrer Religion übersättigt sind oder ihr Geist in den üblichen Tätigkeiten
des Lebens beschäftigt ist. Eine solche Situation schafft den Geist des Aberglaubens, wegen seiner andauernden Grimasse und Heuchelei.«113
Ich rede angesichts des real existierenden Phlegmatismus nicht einmal von der Neigung aller zum Verbrechen, obgleich wir wenig Grund haben, unsere Vorfahren anders denn als Angehörige von
Mörderbanden zu betrachten. Stammen wir nicht, Väterreihe um
Väterreihe, von Menschen ab, die sich mit Mord und Totschlag
behaupteten, das Recht des Stärkeren bis ins räuberische Detail hinein nutzten, ihr nacktes Überlebensinteresse über das Recht des 43
anderen stellten? Niemand kann sich außerhalb solcher Über-
legungen stellen, ohne ein weiteres Mal zu heucheln. Vorausgesetzt, er lernte sich auch nur ein einziges Mal kennen, darf auch niemand von sich behaupten, er sei frei von der Lust am Bösen, Gewalttätigen, Mörderischen. Schreibe ich von den Grausamen der Ge-
schichte, steige ich mit in ihre Folter-Höllen
Weitere Kostenlose Bücher