Sex und Folter in der Kirche
folgenschwerer Fehler, solche Äußerungen einer religiös perver-sen Minderheit zuzuschreiben und damit als Phänomen einer skur-rilen Glaubensrichtung abzuhaken. Die Mentalität solcher Kreise ist durchaus nicht harmlos.58 Sie konkretisiert sich in einer religiös begründeten Minderheitenhetze, die in den großen Zusammenhang des immerwährenden Kampfes der Geretteten gegen das höllische Reich des Bösen und seine - unter uns auszumachenden! -
Helfershelfer gestellt wird. Stimmungsmache gegen Mitmenschen, die anders denken und glauben, sich also trotz erheblicher geistlicher Nötigung nicht bekehren lassen wollen, ist an der Tagesord-59
nung der selbsternannten Retter. Zum Pogrom ist es von der Gewissensfolter aus nicht mehr weit.
Zum Beispiel Marienmorde
Religiöses Aggressionspotential, das in sich die Bereitschaft zur Abrechnung mit Andersdenkenden birgt, ist zweifellos auch für den nächsten Glaubenskrieg zu mobilisieren. Welcher Krieg sollte gerecht sein, wenn nicht einer, der sich um Sein oder Nichtsein, um Sinn oder Widersinn kümmert und in Gottes eigenem Auftrag
geführt wurde und wird? Ein Exempel: die Funktionalisierung der Madonna als der wahren Kriegsgöttin.59 Gewiß waren die meisten Verbrechen, die im Namen des Christentums begangen wurden,
Männeruntaten, wie sie typisch für patriarchale Verhältnisse sind.
Doch auch die sogenannte feminine Seite der Religion ist nicht einfach unpolitisch, schon gar nicht unblutig, unkriegerisch. Maria gilt zwar als die »reine Jungfrau«, »Unsere Liebe Frau«, zu der noch immer Scharen von Beterinnen und Betern wallfahren. Aber auch die Madonna war und ist keineswegs friedlich: Wie ihre Vorläufe-rinnen — die Liebes- und Kampf-Gottheit Ischtar etwa oder die jungfräuliche Kriegsgöttin Athene - wurde auch sie zur großen Rache-Göttin. Sie heißt jetzt »Unsere Liebe Frau vom Schlachtfeld«, »Siegerin in allen Schlachten Gottes«.
Mit Maria zu morden ist hergebrachter Brauch; nachweislich
zogen Männer der Kirche mit Maria in jeden Religionskrieg. Der
»Schlachtruf der Christen«: auf den Kreuzzügen der Ritterherren, auf den Ketzerjagden der Mönchsherren, in den Türkenkriegen der Herren des Abendlandes, im Kampf der Guten gegen die gottlosen, bolschewistischen Untermenschen der jüngsten Vergangenheit60 -
immer erweist sich die Madonna den Ihren als siegreich, denn ein
»Diener Mariens« geht nach Auffassung ebender Diener niemals
verloren. Selbst wenn er auf dem Felde katholischer Ehre fällt, ist er nicht vergessen: Maria hat es drüben schon gerichtet.
In der Marienverehrung drängen sich Züge vor, die mit der
bescheidenen Frau aus Nazareth nichts zu tun haben: Maria als Überwinderin aller Häresien, als Schlachtenlenkerin, als Siegerin.
Zu diesem eminent politischen Phänomen gehört im zwanzigsten
Jahrhundert die Zuwendung zu einer Maria, die immer wieder
60
erscheint,61 Blicke in die Hölle tun läßt, Gebets- und Opferforderungen stellt, den Zorn Gottes aufzuhalten bereit ist - oder auch nicht. Der Phänotyp dieser Mariologie findet sich in der Marien-apokalyptik, die sich mit dem Namen Fatima und den damit ver-
knüpften Privatoffenbarungen an Hirtenkinder verbindet.62 Die Berichte über Fatima und insbesondere die immer wieder nachge-besserten Erinnerungen der überlebenden Visionärin machen das Klima deutlich: eine bis ins Hysterische überhitzte religiöse Stimmung, ununterbrochene Indoktrination, masochistische Selbstquä-
lerei, psychotische Sündenängste, frömmelnde Bußleistung, Mangel an ausreichender Ernährung, stundenlanges Knien, gegenseitige Beeinflussung und Ansteckung.63 Doch nicht nur Kölns Kardinal Meisner64 ist hingerissen. Auch der Papst65 unterstützt die Subkul-tur und erhebt sie in einen kirchenamtlichen Rang.
Schon 1966 hatten die Mitglieder einer katholischen Gruppe mit dem bezeichnenden Namen »Bewunderer der Arche Noah« (das
heißt: die aus der Sintflut Geretteten) die junge Bernadette Hasler einem so rigorosen Exorzismus unterzogen, daß sie ihren Verletzungen erlag.66 Kaum siebzehn Jahre alt, hatte die Unglückliche angeblich einen unsittlichen Lebenswandel geführt und den Befehlen der Jungfrau von Fatima kaum Gehorsam erwiesen. Diese
Madonna taucht vielfach in solchen und ähnlichen katholischen Phantasien auf. Ihr Opfer wurde in eine enge, fensterlose Kammer gesperrt und mußte bei den Gottesdiensten der Gruppe dienen.
Diese beschäftigte sich unter anderem mit der Vivisektion von
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