Sex und Folter in der Kirche
Objekte des Gaffens waren nackte
Menschen, vor allem Frauen, an deren Blöße man sich weidete und deren Schmerzen bewußt ins Kalkül der Darstellung einbezogen
wurden. Wie viele Männer mögen sich an den verwundeten Brüsten und Scheiden der hilflos dargestellten Frauen satt gesehen und wieder aufgegeilt haben! Welche Leidenschaften waren am Werk, die »schönen Früchte« wenigstens bildlich zu brechen! Es machte offenbar viel Spaß, wenn man die »vollendeten Ornamente« einer geweihten und sündig gewordenen Jungfräulichkeit immer wieder mit Blicken zerstören konnte. Dasselbe mochte für die Darstellung ausgesucht schöner Hexen gelten, die man nicht nur im Bild mit ausziehen, sondern auch mit foltern und töten konnte, um sich ihre versucherische Gefahr vom Leib zu halten.
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Folterer erheben Anspruch auf den Körper des anderen, vor
allem auf den der Frau. Art und Weise, wie der Anspruch erhoben und durchgesetzt wird, sind männlich. Sie kennzeichnen nicht nur eine Beherrschung des einzelnen durch Staat und Kirche, sondern auch die sexuelle Gewalt des Mannes über die Frau. Der Besitzan-spruch auf eine Gefangene wird in Form des sexuellen Angriffs geltend gemacht, eines Angriffs, der nicht nur Folter, sondern sexuelle Folter ist.113 Im siebzehnten Jahrhundert wurden junge Mädchen, die sich nicht zum Besuch der Messe oder zur Ohrenbeichte bekehren lassen wollten, so eine authentische Wiedergabe114, auf die folgende Weise umgestimmt: Man füllte ihnen mit einem Trichter etwas Schießpulver in After und Vagina. Dann ließ man sie wie eine Bombe explodieren. Diese Methode war rasend effektiv: Sie schuf in einem einzigen Augenblick nicht nur Wunden und Schmerzen, sondern auch neue Gläubige. »Wie hätten sie«, schreibt der Berichterstatter, »einen Gott nicht lieben sollen, in dessen Namen so reizende Dinge geschahen!«
Das Wesen der Folter besteht in der Verletzung der Unversehrtheit des anderen, der Integrität des fremden Körpers und der fremden Psyche. Handelt es sich bei diesem anderen um eine Frau, erhält die Folter neue Qualitäten: Sie wird nach sexistischen Regeln durchgeführt oder weist eine zumindest latente sexuelle Komponente auf. Da auch das schöne Haar einer Frau manchen als reiz-volle Gefahr erscheint, kennt die Geschichte der Folter eine spezielle Haarstrafe, die nur bei Frauen anzuwenden ist. Sie war bereits bei den Merowingern üblich, doch erst Papst Clemens VIII. griff sie 1598 wieder auf. Beatrice Cenci, des Vatermords angeklagt, wurde an ihrem langen Haar bestraft. Stendhal dazu: »Dieser Barbar hatte den Mut, einen so schönen Körper ohne alles Mitleid zu foltern..., indem man sie an den Haaren aufhing.«115
Frauen gelten den Patriarchen aller Zeiten als sexuell überaktiv.
Der im Christentum und durch dieses verbreitete Hilfsmythos von der angeblichen Hyperaktivität der Frauen soll beweisen, daß die Frauen nicht so rein sind, wie sie sein sollten oder zu sein vorgeben.
Vielmehr sind sie als solche schmutzig, geil und im Unrecht. Sie müssen bekommen, was sie »verdienen«. Sexualität nach Männer-art kommt immer wieder über sie, zumal im Folterkeller.116 Durch diese Aggression werden Frauen als Lebewesen wahrgenommen,
die wieder sündigten und weiterhin, immer wieder, durch Peit-
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schen, Perversionen, Penetrationen bestraft werden müssen.
Grausiges Leiden wird mit sexueller Erregung in Verbindung
gebracht. Folterer der Gegenwart schieben ihren Opfern Revolver in den Mund, um den pervers-sexuellen Charakter ihrer Macht zu demonstrieren.117 Bei allen Umerziehungsprogrammen der heutigen Folterschulen118 werden Gewalt und Sexualität vermischt.119
Die Spaltung in echte Frauen, Mütter der Nation, die zu schonen sind, und Frauen, die als Huren definiert sind, wird systematisch
propagiert, und die Folterschüler sind folgerichtig darauf trainiert, die gegnerische Frau zu vergewaltigen.
Gequält wird heute mit heißen Bügeleisen und Bohrmaschinen,
mit Elektroschocks an Brustwarzen und Scheide, und die sexuelle Gewalt ist ein fester Bestandteil der Folter.120 Die Opfer der Brutalität aber werden zu Personen mit psychischen Störungen, die Vergewaltigten zu Menschen herabgewürdigt, deren sexuelle Aktivitäten (Lockungen, Versuchungen) durch sexuelle Gewalt bezwungen
wurden. Nicht ohne Grund. Frauen stellen nach patriarchaler Ideologie eine ständige Gefahr für Männer dar, machen den Urgrund von deren Lücken- und Vergeltungsängsten aus. Gegen sie ist selbst
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