Sex und Folter in der Kirche
»Venusfliegenfalle«. Doch die Pflanze, die diesen Namen ertragen muß, war mir zu schade und zuwenig
religiös. Was fleischfressenden Pflanzen gelingt, spricht für sich: eine richtig vaginale Anatomie, die mit süßen Säften lockt, die Getäuschten in die Falle plumpsen läßt, sie bei lebendigem Leib auffrißt, genüßlich verdaut und gestärkt auf das nächste Speiseop-fer wartet. Ist das keine Frau, wie richtige Männer sie sich vorstellen? Ist sie friedfertig? Oder vielmehr heimtückisch — und doch immer wieder verlockend? Die Theorie besticht den Mann. Seine Angst vor den Frauen ist eine Urvorgabe des Patriarchats.128 Männer kommen mit Frauen nie ganz zurecht. Was ihrer Vernunft
(Logos) bleibt, ist die Lückenlösung: Sie müssen sich Mysterien schaffen, die sich nicht erklären lassen. Sie sprechen folgerichtig vom Mysterium der Frau wie vom Mysterium des Bösen. Christen
bewiesen wenig Schwierigkeiten, beide Mysterien in eins zu setzen.
Beide Mysterien müssen in patriarchalem Denken wie Fühlen abge-wehrt werden, und dies mit gleicher Gewalt: Sexualität gilt als weiblich, die Frau ist jedenfalls für sie hauptverantwortlich, und sexuelle Handlungen finden in der Hauptsache statt, um bestraft zu werden.129 In Gottes Endgericht wird der Sachverhalt endgültig sichtbar.
Im Patriarchat und vor allem in seiner westlichen Religion werden Sexualitäten immer kontrolliert, begrenzt und verdrängt. Wie privat sie sich geben mögen, sie bleiben an Konventionen, Vor-76
schriften, Strafen gebunden. Auch sind sie unschwer mit Gewalt zu assoziieren, zumal das Funktionieren der patriarchalen Gesellschaft, der Patronomie130, letztlich von Gewalt abhängt: Ver-gewalt-igung, Schändung, Defloration, Übermächtigung und Herr-
schaft sind fundamentale Merkmale solcher Sexualität.131 In US-amerikanischen Grundausbildungslagern ist die frauenverachtende Haltung stark ausgeprägt: Die Rekruten sollen in ihrer Überzeugung, sie seien den Frauen überlegen, systematisch bestärkt werden.132 Folterer tragen ihren Knüppel zuweilen wie einen übergro-
ßen Penis vor sich her; Gewalt und Sexualität sind eins.133
Meldung 1993: Ein Serbenchrist sagt vor Gericht aus, Mord und Vergewaltigung seien in seiner Militäreinheit Routine gewesen. In einem Motel nördlich von Sarajewo habe er allein zwölf dort
gefangengehaltene Frauen vergewaltigt und elf getötet. Sie waren anderen Glaubens, Mohammedanerinnen.134
Da Angst kreativ macht, müssen Geängstigte eine Abwehrkultur
schaffen, Maschinen, Ideologien, Religionen, Gottheiten kreieren
— Männer, Väter, Herrscher zuhauf. Das Patriarchat kann nur
existieren, wenn es sich Maschinen für Sinn, Religion, Forschung, Justiz, Wirtschaft, Krieg leistet. Und die entsprechend angepaßten Bediener. Und die einschlägigen Opfer. Das Christentum hat seinen Stammplatz in diesem Gespinst; Theologie und Feminismus sind
nicht zu vereinbaren. Thomas von Aquino, von vielen Päpsten ohne Abstriche als unvergleichlicher Theologe empfohlen, zum Thema:
»Der Körper des Mannes hat Sinn durch sich selbst, auch wenn er von dem der Frau absieht, während dieser letztere keinen Sinn aufweist, sofern man nicht den Körper des Mannes dabei denkt...
Der Mann denkt sich ohne Frau. Sie denkt sich nicht ohne den
Mann.«135
Dieser Satz ist nicht zeitbedingt. Er gibt das Lebensgefühl der Kaste wieder, gilt bewußt oder unbewußt bis heute, ist in der Bibel angelegt.136 Lehren der Männer-Gott und seine Sprachrohre,137
weiß Eva, woran sie ist. Der Hexenhammer von 1487 sagt, was alle Patriarchen denken und fühlen, auf christlich verpackte und päpstlich abgesegnete Weise: »Also schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller dem Glauben
ableugnet. Was die Grundlage für Hexerei ist.«138 Und, männlich, logisch, konsequent, zum Foltern und Verbrennen berechtigt...
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Männer machen sich, von ihrem Gott ausdrücklich dazu legiti-
miert, die Erde Untertan, unterwerfen in der Natur die Frau, knech-ten die ihnen zur Verfügung gestellten Frauen, die ihr Schöpfer zu ihrem Belieben in der Urgestalt Eva nachschuf: als Geliebte, als Mütter. Es leuchtet ein, daß immer nur Männer die gräßlichen
Urteile der christlichen Vergangenheit sprachen und vollstreckten, also Folter- und Henkerdienste versahen. Nicht nur die patriarchale Theorie forderte dies, sondern auch eine praktische Erwä-
gung. Wir können uns trotz neuerer Erfahrungen noch immer nur wenig
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