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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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selbstverantwortetes Denken, Fühlen, Tun werden unter-68
    drückt. Damit sind die Gläubigen in fast jeder Beziehung abhängig und gefügig gemacht.100
    Ein Mensch muß schon sehr geschwächt sein, wenn er diesen
    Status als Befreiung empfindet — und nicht als Opferleben, nicht als Folter. Zwar ist einem Oberhirten die körperliche Folter nicht mehr möglich, wie sie Vorgänger des jetzigen Papstes denen androhten, die ihre Gebote übertraten. Der wundersam interessengeleitete Trick, Opfer zu schaffen, besteht aber noch immer darin, Menschen sorgsam zu spalten: in Leib und in Seele, in Wollen und Müssen, in Mögen und Dürfen. Dieses christliche Schisma nötigt den einzelnen zu dauerndem Kampf, blockiert natürliche Möglichkeiten, schafft ein ständiges Mit-sich-selbst-Hadern, macht Zwist im Innern heimisch. Solche Religion verleugnet, verlästert das Ich, unterbindet Wißbegierde, Selbstliebe, ist inhuman. Und dies seit zweitausend Jahren, unter Millionen von Menschen.
    Das asketische Versagen des Christenmenschen ist im System
    selbst angelegt. Niemand kann die Gebote halten, die ihm auferlegt werden, ohne daß diejenigen, die sie aufbürden, auch nur einen Finger für die Last rührten (Lk 11,46). Schuld, Scham, Schwermut sind unausbleiblich. Aber nicht weniger auch Reizbarkeit, Rach-sucht, Bereitschaft für Pogrom, Folter und Krieg. Entweder sexuell unbefriedigt zu bleiben oder sexueller Schuld ausgeliefert zu sein macht nicht gerade friedfertig. Ein vorprogrammiertes Elend: Pe-danterie, Sittenschnüffelei, Sexualschikane bilden den Anfang der Aggression, die aus der Frustration kommt. Bei vielen Christen schlug das Gefühl ständiger sexueller Frustration in Gewalttat um, in »das Surrogat der verbotenen Tätigkeit«101.
    Gefolterte Genitalien
    An den Geschlechtsteilen, an den Zungen oder an den Augen oder aber kopfüber hängen die Sünderinnen in der Hölle, glaubt ein im fünften Jahrhundert in Spanien anonym verbreiteter Text. Frauen werden an den Brüsten gebrannt, Jungfrauen auf dem Rost gebraten, weiß die in radikal-asketischen Kreisen zu suchende Schrift.
    Die Mannigfaltigkeit der Qual entspricht der Verschiedenheit der zugrundeliegenden Sünde: Ehebrecher und Verführer von Minderjährigen erleiden die Marter an ihren Genitalien, Gotteslästerer und 69
    Meineidige hängen an den Zungen von der Decke, und die Augen
    derer, die lüstern auf die Frauen anderer Männer schauten, werden ausgebrannt.
    Sadistisch und sexualpathologisch zugleich ist nicht nur die
    Phantasie. Die Hölle wird nicht allein im Jenseits als eine riesige Strafanstalt Gottes imaginiert, nicht nur von den kirchlichen Autoritäten als Instrument zur Disziplinierung genutzt. Jünger belassen es nicht bei der Drohung mit ihrem Straf- und Folter-Gott, sondern schreiten zur Tat, realisieren das Feuermeer mit seinen Qualen und Torturen auf der Erde, schaffen ihren Ängsten und Aggressionen ein Feld der Betätigung, foltern und verbrennen zuzeiten alle, die ihrer Wahrheit nicht folgen können oder wollen.
    Fleisch ist ein beliebter Gegenstand der inquisitorischen Neugier: Seit im vierzehnten Jahrhundert unter angeblichen Ketzern systematisch nach den Spuren gleichgeschlechtlicher Unzucht gesucht wurde brach die Verbindung zwischen der Anklage wegen Häresie
    und der wegen teuflischer Lüste nicht mehr ab.I02 Jahrhunderte der abendländischen Geschichte hindurch gilt es nicht nur als furchtbar in die Hände des lebendigen Gottes zu geraten,103 sondern ist es in der Tat schrecklich, in die Hände von Christen zu fallen.
    Keine Imagination, sondern schlimmste Realität. Christen weisen nicht nur Psychosen, Selbstzerstörungsängste, nicht ausgelebte Aggressionen, Rachephantasien vor. Sie projizieren nicht allein diesseitige Schuld auf ein abgelegenes Jenseits. Sie sehen, auch wenn das die heutige Theologie nicht mehr versteht, in der Hölle einen real existierenden Ort, im Teufel den Leibhaftigen, der hinter jeder Ecke hervorlugt und immer bereit ist, zuzupacken und zu verder-ben. Jünger führen diese Tatsache, die gegenwärtigen Christen zumeist unbekannt bleibt, auch nicht nur auf eine Möglichkeit des Neuen Testaments zurück: Teufel, Hölle, Sündenfolter, ewige Verdammnis sind göttliche Notwendigkeit. Sie gehören unverzichtbar in den »Heilsplan« Gottes hinein und lassen sich nicht von postmoderner Theologie wegdiskutieren.
    Die Gegenwart, die angeblich aufgeklärte Theologie zuerst,
    macht es sich verdammt leicht mit

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