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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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allein Gott der Gerechte eines Jüngsten Tages zwischen Tätern und Opfern aus, entschädigt die einen für das, was die ändern ihnen antaten. Gottes Stellvertreter und Prediger auf Erden haben dies ebensowenig nötig wie die Millionen
    Christen, die sich um die blutige Vergangenheit ihrer Kirche und 81
    ihre entsetzlichen Folgen einen Dreck scheren. Versagt sich aber schon die Kirche unter uns der Entschädigungsarbeit, so kann es niemanden wundern, wenn auch andere — zum Beispiel staatliche Stellen und Industrieunternehmen in der Bundesrepublik — in Sachen Entschädigung von KZ-Opfern und Zwangsarbeitern auffal-
    lend zurückhaltend bleiben.
    Gewalt braucht Glauben, Hoffnung, Liebe
    Folter gedeiht nicht in der Enklave, lebt nie auf einer einsamen Insel. Sie benötigt ihr Milieu. Jede Gewalt hat ihren Glauben, als Voraussetzung zumindest den, durch Gewalt werde, wenn schon
    nicht alles, so doch manches entscheidend besser, das heißt (wieder) so, wie es »richtig« ist. Dieser Traum von der Richtigkeit setzt die Annahme einer irgendeinmal realisierten oder endgültig zu realisierenden heilen Welt voraus. Christliche Doktrin nennt diesen Zustand das Paradies, wie es die Schöpfungsgeschichte schildert, und den Himmel, der auf diejenigen wartet, die in Gottes Gnade stehen.
    Doch offenbar benötigt der Himmel sein Pendant, die Hölle. Eine schreckliche Konsequenz: Gutsein auf christlich lohnt sich nur, wenn es auch eine dunkle Alternative gibt, von der man sich abset-zen und vor der man sich retten lassen kann. Die christliche Welt erträgt nicht nur Gute; wären alle gut, erschiene dies den meisten zumindest langweilig.
    Wer in den weitverbreiteten christlichen Kategorien denkt und fühlt, ist davon überzeugt, daß die Wirklichkeit in abstrakten, fixen und unabänderlichen Begriffen ausgeschöpft werden kann, so dass es genügt, im Blick auf ebendiese Begriffe des Richtigen zu handeln, um die Welt auch recht zu bewegen.147 Das Bewußtsein lebt, es gebe ewige, durch kein geschichtliches Denken zu verändernde Wahrheiten, zu denen der wahre Gläubige Zugang hat und in denen sein Anspruch auf Absolutheit begründet ist.148 Da solche Begriffe den Menschen selbst nicht zur Verfügung stehen und nirgendwo auf der Welt sich vorfinden lassen, müssen sie nach dieser Auffassung der Menschheit geschenkt werden: Damit tritt die »Offenbarung« in ihr Recht, und diejenigen, die diese, nach katholischer Meinung, unfehlbar auslegen, werden für hörende Menschen unverzichtbar wichtig. Daher muß für diese »Offenbarung« und ihre offiziellen 82
    Verkündiger Raum auf Erden sein. Findet sich dieser nicht (das ist die Regel), muß er geschaffen werden.149 Das freilich geht, bei der bekannten Verstockung der Bösen, nicht ohne zumindest argumen-tative, psychische Gewalt ab.
    Professionelle Angst- und Hoffnungsmacher lassen es nie bei
    bloßen Diagnosen bewenden: Sie kennen auch die unfehlbar ge-
    sund machende Therapie und fordern gebieterisch im Namen Got-
    tes zu deren Annahme auf. Das hat seinen Grund: Suchende gefährden die Sicherheit der Besitzenden, zerstören gar, läßt man sie gewähren, die Basis des wahren Glaubens. Kein Christentum ohne grundlegende Denkverbote, ohne radikales Mißtrauen der Erwählten gegen andere Denkmodelle und Weltbilder, ohne Abgrenzung
    gegen alternative Lebensentwürfe! Kein recht organisierter Glaube ohne Überfluß der Predigt, ohne provokative Rhetorik, ohne fundamentalistische Hypnose, ohne Massensehnsucht nach einem
    »Herrn«, »unserem Herrn«, ohne die Perspektive auf einen mög-
    lichst apokalyptischen Endkampf!150
    Solcher Fundamentalismus ist umfassendster und konsequente-
    ster Betrug unter Menschen. Er gaukelt vor, das Absolute, Unendliche, auf das wir aus sind, das wir aber nie erreichen und besitzen können, unfehlbar zu haben, hier und jetzt anbieten zu können.151
    Wehe denen, die diese Täuschung beim Namen nennen oder nach-
    weisen, daß sie dem System christliche Religion als Lebenslüge zugehört! Überzeugte Jünger befinden sich in einem Zustand ständiger Aggression; sie müssen zwanghaft gegen Ungläubige, An-
    dersgläubige angehen, um die eigene Haut für den Himmel zu retten.
    Die psychische Situation des Gegen-andere-gerichtet-Seins,
    die sich gegenwärtig keinen physischen Ausdruck schaffen darf (weil es keine kirchliche Folter mehr gibt), vermittelt zum einen ein Klein-Herden-Bewußtsein von der eigenen Auserwählung. Zum
    zweiten führt sie zur Verdammung der

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