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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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Gerade das Gottesproblem scheint aber kaum zu beschäftigen; die Jesus-Frage ist seit Jahrzehnten wichtiger. Selbst die kühnsten Befreiungstheologien stellen das statische Bild eines absolut fertigen, unveränderbaren christlichen Gottes nie in Frage. Doch die Sünderliebe »unseres Gottes«
    hat ebenso wie die behauptete Sympathie für die Leidenden ihre Tücken: Zum einen bewies sich weder in der Geschichte noch in der Gegenwart irgendein Mitgefühl Gottes mit den von seiner Kirche Gefolterten und Ermordeten. Zum anderen enthalten seine Ge-richtsworte von Anbeginn nie etwas anderes als ein Unheil, das sich diejenigen selbst einbrocken, die reuelos leben und sterben wollen -
    und die er gnadenlos sich selber überläßt.161
    Die Geschichte vom verlorenen Sohn im Lukasevangelium eignet
    sich auffallend gut für den Religionsunterricht von Kleinkindern.
    Doch findet sich kaum ein Religionslehrer oder Pfarrer, der zum 85
    Zentrum dieser Erzählung vorzudringen wagt: Der barmherzige
    Vater freut sich erst, als der verloren geglaubte Sohn zu ihm zurück-kriecht. Was dem Sohn geschehen wäre, hätte er nicht zurückgefunden, ist in der Drohbotschaft desselben Gottes nachzulesen: Versto-
    ßung und Verdammung. Wir werden noch sehen.
    Die These vom Mitleiden Gottes mit den Geschöpfen, wie sie von Theologen der aufgeschlosseneren Art vertreten wird, gehört so ziemlich zum »Makabersten, was man sich denken kann«162. Denn dieser »unser Gott«, nichts anderes als ein universaler Sadomasochist, entwirft den Plan einer Welt, in der Leid, Schmerz, Gewalt eine fatal dominierende Rolle spielen. Genau diese Welt gefällt ihm, also schafft er sie. Das bedeutet: Sadistisch erschafft er sie, masochistisch will er sie miterleiden. Seine Geschöpfe bleiben in jedem Fall die Opfer!
    Fast bin ich versucht, die Tatsache zu begrüßen, daß die meisten Gläubigen sowieso nichts von solch theologischem Greuel wissen.
    Doch sind diese Christinnen nicht entschuldigt. Sie fühlen sich zumindest, ohne dies artikulieren zu können, im Besitz der besseren Argumente in Dogma und Moral, der tatkräftigeren Diakonie, der berückenderen Aussicht auf ewigen Lohn. Andersdenkenden wird bis in die jüngste Zeit hinein die Redlichkeit abgesprochen. Deren
    Suche nach der Wahrheit gilt den Jüngern, die ihre Wahrheiten bereits besitzen, als unernst. Hört endlich auf mit dem ewigen Suchen, Zweifeln, Irren! Leuten wie euch muß die Wahrheit, unsere Wahrheit gepredigt werden, immer wieder, immer intensiver, immer lockender, immer drohender! In diesen Zusammenhang ge-
    hören die Teufelskatechesen der Päpste Paul VI. und Johannes
    Paul II.163 Kein Wunder, daß nicht nur psychisch deformierte Christen die Höllen-Rede gezielt als Drohinstrument gegen Andersdenkende und die Denk- und Gewissensfolter als Anspruch an sich
    selbst wie an andere einzusetzen bereit sind.164 Die Hölle lebt in den Seelen und Leibern vieler Menschen fort.165
    Bei Kindern und Jugendlichen sind bis heute die Resultate des entsprechenden Religionsunterrichts abzufragen.166 Es ist er-schreckende Gegenwart, was sich da in Köpfen und Herzen ansammelte. Niemand sollte sich darüber wundern, welch gewalttätige Geistigkeit vermittelt wird. Und kein Steuerzahler darf sich beiseite stellen: Der Religionsunterricht wird aus allgemeinen Steuermitteln in Höhe von über drei Milliarden D-Mark pro Jahr finanziert,167
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    und nicht etwa aus den Kirchensteuereinnahmen! Konfessionslose bezahlen ihn ebenso selbstverständlich mit wie jene Kirchenmitglie-der, die - in Sachen Straf- und Folter-Hölle - anders denken.
    Offensichtlich erregt der skandalöse Zustand noch immer weder das Wahlvolk noch die Politiker; schließlich ist der großkirchlich betriebene Religionsunterricht vom Grundgesetz als ordentliches Lehrfach abgesegnet.
    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann (Mainz), sagte 1992 in einem SPIEGEL -Interview, man könne kein katholischer Christ sein, ohne an die Hölle zu glauben.168 Offenbar findet er Gehör: Noch immer sind vierunddreißig Prozent Katholiken der 1992 vom SPIEGEL befragten Bundesdeutschen der Meinung, es gebe eine Hölle, in der Menschen nach ihrem Tod bestraft werden. Dieser Prozentsatz stellt allein schon ein Armutszeugnis dar, doch es kommt noch schlimmer: Nicht
    weniger als achtundfünfzig Prozent der allsonntäglichen katholischen Kirchgänger glauben an eine solche Straf-Hölle.169 Niemand wird annehmen, es handle sich bei diesen

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