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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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Jenseitssadisten nur um das Grüppchen fundamentalistischer Fanatiker. Der hilfsbereite
    Herr, die gemütliche Dame von nebenan gehören zu den Folter-
    freunden.
    Nun braucht sich Gewalt nicht mehr ganz so schlagfertig und
    nackt wie in früheren Jahrhunderten zu zeigen. Sie kann sich tar-nen, gerade mit den Zeichen der Hoffnung. Dann deklariert sie sich als Mittel zum Zweck, als Durchgangsstadium, als Vorhölle, der der Himmel zugesagt ist. Da heißt es: »Der Schmerz adelt sowohl den Gebenden als auch den Empfangenden, wir müssen Ihren
    Körper brechen, um Ihren Geist zu retten.«170 Askese, Disziplin, Gehorsam wenden sich nicht nur gegen die Täter, sondern auch
    gegen deren Opfer: Brachen die ersteren bereits ihren eigenen Körper, um ihren Geist zu retten, wenden sie das gleiche Verfahren auf ihre Opfer an: Wir tun in jedem Fall unser Bestes, weil wir Ihr Bestes, liebes Opfer, bezwecken. Denn besser auf Erden leiden als da drüben auf ewig verlorengehen.
    Hoffnung wird in solchem Denken geschenkt - von denen, die
    angeblich über sie verfügen und sie zu vergeben haben. Und sie wird von den Opfern solcher Gewalt füglich entgegengenommen. Die
    Erziehung zum Masochismus, zur Entgegennahme des Guten, Ge-
    waltigen, gehört traditionell zur Konditionierung jedes Menschen 87
    und jeder Gruppe, die verachtet wird.171 Akzeptiert das Opfer sein Bestes, zeigt es Stärke und Mut im Ertragen seiner Pein, kann ihm nicht selten die Bewunderung seiner Peiniger zuteil werden. Doch eine solche Bewunderung ist gefährlich; Komplimente an das Opfer sind stets schwer erkauft.
    Liebe nahm längst ihren Platz im Sinnentwurf der Gewalt ein:
    Verbote und Strafen gelten nur als sinnvoll, wenn ihre Opfer erlern-ten, sie als Ausfluß von Liebe zu sehen.172 Solche Zurichtung ist mittlerweile als normal definiert. Wird über Liebe gesprochen, müssen aber stets ihre Beschädigungen mitbedacht werden. Auch wenn es hart zu hören und nachzuvollziehen ist: Liebe hat mehr mit Gewalt zu tun als mit Lust. Vor allem erfahrene Christinnen wissen, was ich meine. Der Verrat an der Liebe schädigt nicht nur die Verratene, sondern auch die professionellen Verräterinnen: Wer nichts zu lieben hat, hält sich an die kalte Liebe zur Gewalt, in deren Sicherheit er/sie leben zu können glaubt. Religiöse Gewalt wird vornehmlich von jenen verherrlicht, die zu wissen vorgeben, was ihnen, anderen und der Menschheit guttut. Christenmenschliche Sicherheit forderte stets ihre Opfer.
    Je mehr sich das religiöse System ausweitet, desto intensivere Angst schafft es.173 Angst, in Druckwellen und Spannungsstößen der Psyche konkretisiert, erreicht hier eine enorme Bandbreite, weist viele Variationen auf, tritt da konzentriert, dort eher vage auf.
    Überall lauern Gefahren, im Dschungel der Glaubenssätze, Moralen, Riten, auf dem Papier der Gnadenerweise, der Dispensen, der Erlaubnisse. Überall auch wartet Strafe, unvorhergesehen, unerklärt. Der rechte Christ will es recht machen; ob dies gelingt, beurteilen andere. Er fühlt sich demnach überwacht, bedrängt, hat liebevolle Gegner, die allmächtig, allgegenwärtig sind, deren Agen-ten überall agieren, deren Augen alles sehen. Die Macht des perso-nifizierten Über-Ich, alles zu erzwingen, erscheint so groß, die dem System gebührende Treue so umfassend, daß der einzelne in der Defensive bleibt, immer weitere Schuldgefühle ausbildet, immer intensiver Erlösung erbittet. Etwas verbrochen zu haben wird unter Christenmenschen zu einem fast allgemeinen Zustand. Sünderin
    und Sünder zu sein, also zu Recht beschuldigt zu werden und auf Absolution verwiesen zu bleiben, ist Status.
    Oberste Sicherheitsinstanz bleibt im Jenseits der entsprechende Gott. Doch dieser gewaltig Schweigende braucht viele Väter auf 88
    Erden,174 der Klerus bis hinauf zum Papst bietet die entsprechenden Anlaufstellen und Garantien solcher Sicherheit. Immer wieder werden Überväter geschaffen und legitimiert, die patriarchatstypische Klassifikationen sichern sollen: Hoffnung auf individuelle Belohnung und Auszeichnung (auf der Erde wie im Himmel) und schließ-
    lich, national und gesellschaftlich gewendet, auf die Weltmacht des Guten, sprich, des Christlichen. In einem solchen System, also unter dem Gesetz der Furcht und des Zwanges,175 darf es keine Lücken geben, die Restschuld zurückließen und Gehorsam wie Opfer un-nötig machten. Die Väter müssen, als Garanten der Sicherheit wie der Macht, präsent bleiben. Zu allen Zeiten und in

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