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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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Schöpfer des Himmels und der Erde.« So gewaltig hebt das Apostolische Glaubensbekenntnis an, ein uralter Jünger-Text, der noch immer Tag um Tag gesprochen wird. Auch beginnt jede Meßfeier in der größten organisierten Religionsgemeinschaft der Welt, der römisch-katholischen Kirche, damit, daß zu einem Gott gebetet wird, der Herr und allmächtig ist. Die erste Bitte an ihn ist die um Erbarmen. Er soll
    »unsere Sünden nachlassen« und »uns zum ewigen Leben führen«49 .
    Die Vokabeln »Allmacht«, »Schöpfertum«, »Herrschaft« und
    »Vaterschaft« sind entlehnt; sie nehmen patriarchale Vorgaben auf. Um so eher sind sie verdächtig, einem Urbedürfnis aller Patriarchen nach Verankerung, Stabilisierung und Rechtfertigung eines gewaltigen Gottherrn zu entstammen,50 der kein anderer sein darf als der
    »unsere«. Das Wir-Gefühl solcher Jünger wurde zum heili-
    gen Text. Ohne ihn können sie nicht beten, glauben, leben. Sie sagen: Er erwählte uns, er braucht unseren Gehorsam, er will unser Opfer. Er gehört zu uns, er gehört uns. Du mein lieber Gott! Kein Wunder, daß »unser Gott« ein einziger Gott ist, ein Gott, der sich ziemlich gewalttätig gegen alle Mitbewerber durchsetzte. Er muß von Definition wegen ein Alleinherrscher sein, seiner Natur nach 118
    ein eifersüchtiger Gott, der keinem zweiten das Leben gönnt. Eine monotheistische Religion ist unduldsam und aggressiv. Nicht aus Zufall bietet nur sie in ihren verschiedenen Erscheinungsformen das schreckliche Schauspiel der Bilderstürmer, Religionskrieger, Kreuzzügler, Ketzerverfolger, Hexenverbrenner.51 Dies ist in ihr angelegt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Anlage durch-bricht, nur eine Frage der Macht, welche Mittel sie für ihre Zwecke heiligt. Auch von daher gesehen, ist es grob fahrlässig, pauschal eine religiöse Anlage der Menschen zu behaupten. Wenn überhaupt, dann ist diese nicht auf irgendeinen Gott gerichtet, sondern auf einen bestimmten, auf »unseren«. Folgerichtig wendet sie sich immer gegen einen fremden Gott - eben auf den oder die, die nicht
    »unser« sind.
    Zwei Wahrheiten wollen Menschen, obgleich sie sie erahnen, im allgemeinen gar nicht annehmen: die, daß sie nichts wissen, und die, daß sie nichts bedeuten.52 Um beiden Wahrheiten zu entgehen, schufen die Gerissensten unter ihnen sich einen Gott. Dieser vermittelt ihnen ein Wissen, das sich in verläßlich geglaubten Sätzen, Gebeten, Riten niederschlägt. Und er läßt sie das Gefühl genießen, das ihresgleichen so nötig braucht: Sie sind, zumindest vor seinem Gericht, doch noch bedeutend. Falls sie sich ihm gegenüber gehorsam verhalten, steigert sich ihre Bedeutung gar noch ins Ewige.
    Nicht Gott ist gefragt, nicht er ist wichtig. Erwünscht ist »unser Gott«, ausschlaggebend mein Bedürfnis als Jüngerin. Christen nehmen auf religiösem Terrain ihr verheißenes Land in Besitz: Ein genehmer Gott ist definiert, ein Gott erfunden, der Ansprüche erfüllt. Dieser Gott muß allmächtig sein, um jede Angst zu besiegen.
    Er muß klassifiziert mächtig sein, um bestimmte Menschen mehr als andere an sich zu binden. Der kleine Unterschied, den Jünger lieben, auch hier.
    Und die Liebe sowieso. Denn »wie ein Vater seine Kinder liebt, so liebt der Herr, die ihn fürchten« (Ps 103,13). Es sieht — im Gegensatz zu vielen Predigtversuchen — nicht so aus, als handle es sich hier auf beiden Seiten um die lautere Liebe. Dafür verknüpfen die biblischen Texte viel zu oft Elemente von Herrschaft und von Furcht vor Herrschaft mit Vaterliebe. Gottes Gewalt bleibt beherrschend:
    »Weh dem, der mit seinem Schöpfer rechtet, er, eine Scherbe unter irdenen Scherben. Sagt denn der Ton zum Töpfer: Was machst du?
    Weh dem, der zum Vater sagt: Weshalb hast du mich gezeugt?« (Jes 119
    45,9 f.). Zeugung ist doch Erwählung, sagen die echten Söhne. Von Töchtern ist im patriarchalen Zusammenhang kaum die Rede.
    Wagt die auserwählte Gruppe den Ungehorsam, klagt der ent-
    täuschte Vater. Und er muß strafen. Denn wen der Herr liebt, den haut er, wie ein Vater seinen Sohn, wenn er diesen gern hat (Spr 3,12). Strafe ist Ausdruck wahrer Liebe. Das patriarchale Axiom wird sich — da kennen Christen kein Pardon — in der Geschichte dieser Religion bewähren. Gott will es so. »Unser Gott«. Sein Wille geschehe, sein Reich komme... Eine Erinnerung an einen Zentral-text der christlichen Überlieferung53, Jesus aus Galiläa selbst soll die Seinen ein Gebet gelehrt haben. Es war den

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