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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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seinen Menschen Vernunft, verlange aber schleunigst wieder deren Opferung, so ist er nur ein Taschenspieler, der das, was er vorzeigte, wieder verschwinden läßt.42
    Wer wüßte besser als diejenigen, die zu denken gewohnt sind,
    daß es vieles gibt, was wir nicht verstehen? Doch alles, was der Vernunft widerstreitet, alles, was offensichtlich gegen sie verstößt, sollten wir mutig verwerfen. Angst vor konsequentem Denken?
    Viele Menschen wären in der Welt ziemlich ruhig, wenn sie einiger-maßen sicher davon ausgehen könnten, daß sie von keinem Jenseits etwas zu befürchten haben. Der Gedanke, daß es keinen Gott gibt, erschreckt nur jene, die daran glauben müssen, daß jener Gott existiert, den ihnen eine Kirche gab.
    Je unerklärlicher, unzugänglicher der christliche Gott bleibt, je weniger seine Existenz bewiesen ist, desto besser läßt er sich im Alltagsgeschäft der Seinen nutzen. An dieser Christokratie änderte sich buchstäblich nichts. Die Religionskritik hat daher noch nicht 116
    ausgedient. Ihre Motive, Gegenstände und Inhalte sind keine alten Hüte, wie ihnen die Diener einer Religion vorwerfen, die ihrerseits nicht modernsten Chic verkauft. Kein denkender Mensch wird von sich sagen, er allein besitze die ausschlaggebenden Argumente. Im Gegenteil: Unsere Kritik freute sich, auf aufrichtige Gegnerschaft und klare Widerlegung zu treffen. Den Vorwurf, wir haßten, aus welchen Gründen auch immer, Kirche und Christentum, nehmen
    wir freundlich entgegen: Menschen, die von ihrer Religion zum Haß auf das jeweils andere und die fremden Andersdenkenden
    erzogen wurden, können keine Kategorien als die ihren kennen. Sie schließen von sich auf andere - und treffen überall auf Haß, nur nicht bei sich selbst. Ich kann sie beruhigen: Wer denken lernte, haßt nicht mehr. Vernunft bedurfte noch nie des Erleuchtungsmit-tels Scheiterhaufen.
    Wiederholt unsereins nur abgelegte, widerlegte Themen des letzten Jahrhunderts? Oder richtet sich der Vorwurf gegen die, welche ihn erheben? Ich ziehe jedenfalls in bezug auf das neunzehnte Jahrhundert die noch immer lebendigen Argumente der Schopenhauer, Heine, Nietzsche der todbringenden Praxis der Päpste vor.
    Immerhin hinterließ Gregor XVI. († 1846) viele Todesurteile und zweitausend politische Gefangene,43 und der dogmenstarre Pius IX.
    (seine Seligsprechung ist geplant) zeichnet verantwortlich für die Toten, die 1870 der Verteidigung seines Kirchenstaates zum Opfer fielen.44 Schon vergessen? Nie gehört?
    Vor vierhundert Jahren schrieb ein bald darauf erlegter, gefolterter, hingerichteter Ketzer: »Was nützt euch Forschern alles Studium, /... Nicht kümmert heilges Eseltum sich drum; / Es beugt die Knie, es faltet fromm die Hände, / Erwartet, daß der Herr ihm Segen spende; / Denn höher als Vernunft ist jener Frieden, / Der frommen Seelen nach dem Tod beschieden! / Vergänglich ist, was man auch treibt hienieden!«45 Inzwischen änderte sich einiges, auf Seiten der Forschung zumindest, wenn auch nicht am heiligen Eseltum. Und die Argumente abendländischer Religionskritik sind so jung wie eh und je und noch keineswegs widerlegt. Diese Kritik muß nach wie vor die Menschen informieren, ihnen aber auch »den Mut des
    Geistes einflößen«, damit Schmerz und Todesfurcht nicht doch noch über die stärksten und stichhaltigsten Gründe siegen.46 Kritik sollte »das dunkle Wesen der Religion mit der Fackel der Vernunft beleuchten, damit der Mensch endlich aufhöre, eine Beute, ein 117
    Spielball aller jener menschenfeindlichen Mächte zu sein, die sich von jeher, die sich noch heute des Dunkels der Religion zur Unterdrückung des Menschen bedienen«47.
    Und Gewissen, Köpfe, Körper foltern.
    Etymologisch ist die Erklärung des Begriffs »Folter«, die Isidor von Sevilla († 636) vorlegte, zwar nicht zu halten,48 doch trifft der Kirchenmann einen wesentlichen Inhalt: »Folter«, lateinisch »tor-mentum«, soll von »torquens mentem« kommen, von der Wen-
    dung und Drehung des Geistes, denn »durch das Leiden des Leibes wird der Geist... herumgedreht«. Was anderes, was mehr soll
    bezweckt werden? Auch Bezüge der französischen Sprache spre-
    chen für sich: Neben dem Wort »la question« (Frage, peinliche Befragung) stehen da frühe Begriffe wie »gehine« oder »gene«. Sie verweisen auf »Gehenna« (Unterwelt, Hölle). Sollten da tiefere Schichten freigelegt werden?
    Das religiöse Urbedürfnis »unser Gott«
    »Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater,

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