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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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offen; das be-112
    kommt ihr nicht. Theologen schieben immer wieder beiseite, was ihnen gerade nicht ins Kalkül paßt, lassen sich nicht festlegen. Wer überprüfbar wissenschaftliche Auskünfte von ihnen verlangt, greift ins Schwammige, Sumpfige, Unverbindliche. Wirkliche, das heißt positiven wie negativen Urteilen unterworfene Aussagen sind bei Verbalakrobaten Mangelware; feige Ausweichungen nicht.
    Da wir den eigenen Tod noch nicht sahen, sind wir dem Geschwätz von Besserwissern, Propheten, Kanzelrednern ausgesetzt.20
    Falls wir uns nicht wehren. Was sollen wir von Leerworten wie
    »Unsterblichkeit«, »Jenseits«, »Seele« halten, wenn sie nur dem Glauben aufgebürdet werden? Sollen wir an das glauben, was
    Theologen in diese Begriffe legen? Sind nicht die den an sich hohlen Worten amtlich zugelegten Inhalte wenig anderes als Folterinstrumente, Systeme von Grausamkeiten, mit deren Hilfe Priester Herren wurden, Herren blieben?21 Männer Herrschaft über Menschen
    erlangten, rechtfertigten, behielten? Und den jämmerlichen Zustand Kirche noch, wie Münchens Kardinal Wetter, eine Christokratie nannten?22
    Wer außer einem purpurnen Kirchenfürsten vermag sich eigent-
    lich noch 1994 den historischen Jesus als einen Herrscher vorzustellen, in dessen Reich Gewissen gefoltert, Menschen geängstigt werden, Menschenrechte so wenig gelten wie Menschenwürde, dagegen Gelder, Immobilien, Privilegien obenan stehen?23 Gottesherrschaft?
    Reich Christi? Erniedrigte eine Kaste, unfähig, die Materie zu vernichten, nicht die edelsten Genüsse, würdigte Menschen und deren Gefühl, Empfindung, Denkanstrengung herab, machte Sinne heucheln, erfand Sünden- und Schuldgefühle? Festigte sie nicht eine Religion, »in deren ersten Dogmen eine Verdammnis allen Fleisches enthalten ist und die dem Geiste nicht bloß eine Obermacht über das Fleisch zugesteht, sondern auch dieses abtöten will«24? Schuf sie nicht einen Gott, der selbst die unschuldigste Sinnenfreude, unser unveräußerliches Erbteil, in die Nähe einer Sünden- und Straftat rückte? Einen Gott, der strikt auf Ehre und Gehorsam sah und damit
    »die erprobteste Stütze des Despotismus« (H. Heine) wurde?
    Starker Tobak ? Ich spreche in bezug auf die Jünger zurückhaltend, nicht nach Art des Thomas von Aquino, der seine Gegner » verpestete Menschen« nannte und ihre Ausmerzung aus der menschlichen
    Gesellschaft forderte.25 Ich behandle auch den christlichen Gott mit Distanz, nicht wie der Kirchenlehrer Augustinus, der »unseren 113
    Gott« voller Haß gegen die »Ungeheuer aller Arten von Göttern«, die »gotteslästerlichen Kulte«, »das Göttergesindel« der sogenannten Heiden abhob. Dieser Bischof eiferte, höhnte, heizte die Zerstö-
    rungswut der Seinen an, sah in allem Nichtchristlichen nur Greuel, schreckte vor bewußten Verzerrungen nicht zurück, erlaubte sich gegenüber den Gegnern buchstäblich alles, die Verfälschung von Zitaten nicht ausgenommen.26 Wie sagte der antike Philosoph
    Plutarch27? Ihm wäre es lieber, wenn man annähme, es habe ihn nie gegeben, als wenn man glaubte, er sei ungerecht, jähzornig, wan-kelmütig, mißgünstig, rachsüchtig gewesen. Auf den Christengott übertragen: Was Jünger aus ihm machten, beleidigt ihn mehr als jeder Atheismus. Besser für ihn, alle glaubten, es habe ihn nie gegeben, als daß sie annehmen müssen, er sei so, wie Apostel, Theologen, Päpste ihn sich schufen. Der Gott der Denk- und Gewissensfolterer kennt von Fall zu Fall »abstrakte gutherzige Moralre-geln, die mit Worten, und konkrete höllische, die mit Taten bezeugt werden«28. Das ist praktisch: Die Seinen richten sich's nach Belieben, sagen nicht, worum es im konkreten Fall geht, drehen und winden sich exegetisch, dogmatisch, moralisch, wo es sich lohnt.
    Ihre Rede, gerade die vermeintlich progressive, ist alles andere als ja, ja und nein, nein. Wie mag ein Glaube beschaffen sein, der aus schiefen Mäulern fällt?
    Wer außer den Verbohrtesten kann sich unter diesen Umständen
    am grundehrlichen Nietzsche stoßen? »Was ehemals bloß krank
    war, heute ward es unanständig - es ist unanständig, heute Christ zu sein. Und hier beginnt mein Ekel. - Ich sehe mich um: es ist kein Wort von dem mehr übriggeblieben, was ehemals ›Wahrheit‹ hieß, wir halten es nicht mehr aus, wenn ein Priester das Wort ›Wahrheit‹
    auch nur in den Mund nimmt. Selbst bei dem bescheidensten An-
    spruch auf Rechtschaffenheit muß man heute wissen, daß ein Theologe, ein

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