Sex und Folter in der Kirche
Fall von Tod und Auferstehung so sein.
Folgeträchtiger noch ist die andere Aussage: Angesprochen werden nicht die realen, sondern die von einer Interessenlage her definierten Gegner. Anstelle der Römer sind Juden gemeint — eine
böswillige Beschuldigung. Noch schlimmer: Nicht nur einzelne
sind angeklagt. Die geschichtlich folgenreiche Verdammungsrede betrifft ein ganzes »Geschlecht«. Hier ist von Sippenhaft die Rede, denn Juden sind, nach »Jesu« Wort, als Geschlecht (Volk) böse und ehebrecherisch, das heißt ihrem Bundes-Gott untreu. Wer das
Evangelium der Christenheit aufmerksam las, wußte über viele
Jahrhunderte hinweg, was er von diesem Geschlecht zu halten hatte und wie gewalttätig es anzugehen war. So aggressiv wird die Passion »Jesu« vorbereitet, und es geht ähnlich weiter: Die Leidensgeschichte, wie sie vier Evangelien darstellen, hat es in mehrfacher Hinsicht in sich. Da stimmen die Fakten weit weniger als die genau zu den Jünger-Interessen passende Ausschmückung und Deutung.
Kein Wunder, daß Christen, kaum waren sie Angehörige einer
Staatskirche, zu weiteren Fälschungen griffen. Da sich in den kai-160
serlichen Archiven des vierten Jahrhunderts kein Hinweis auf die Passion eines Jesus fand, wurde einer unterschoben.71
Der Bericht der Evangelien, der sich Passionsgeschichte heißt, ist eine legendarisch ausgeschmückte und in vielen Details übertrieb bene Erzählung.72 Im strengen Wortsinn stellt die Geschichte keine; Geschichte dar, keine Historie,73 sondern ein Geschichtchen, eine historisierende Erzählkomposition. Die Passion hat sich nicht so ereignet, wie die Bibel sie schildert. Die Passion »Jesu« ist nach ähnlichen Kriterien zurechtgemacht wie das Leben der Kunstfigur.
Sie mußte unter anderem bestimmte Weissagungen des Alten Testaments erfüllen,74 um der jüdischen Welt zu beweisen, daß deren Heil mittlerweile im Evangelium des endgültigen Glaubens ange-brochen sei.
Den Jüngern stand so gut wie kein historisches Material zur
Verfügung; die Vorstellung, Jünger hätten einen biographischen Stoff zur Hand gehabt, als sie »die Passion« zu beschreiben begannen, ist falsch. Augen- und Ohrenzeugen fehlen auch hier,75 und Paulus muß sich ausschweigen.76 Ich nenne Beispiele: Einen aufse-henerregenden Prozeß »Jesu«, wie im Neuen Testament breit be-
schrieben, gab es ebensowenig wie bei den tausenden anderen
Verurteilten, die unter Pontius Pilatus hingerichtet wurden.77 Der römische Oberbeamte war entgegen der Schilderung in der Bibel keineswegs mild gestimmt, sondern ein ausgesprochen harter Richter mit Vorliebe für standrechtliche Verfahren.78 Da aber die Evangelisten daran interessiert waren, die Juden und nicht die Römer als Gegner »Jesu« aufzubauen, mußte der oberste Römer im Land als ein relativ guter, ja alles in allem unschuldiger, jedenfalls gerechter Richter gezeichnet werden.79
Auch fand eine eigene Verhandlung vor dem Hohen Rat der
Juden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht statt.80 Pontius Pilatus war es, der das Todesurteil fällte und es von seinen Legionären vollstrecken ließ.81 Die Römer aber durften es nicht gewesen sein und mußten entlastet werden. Das blieb so: Als Paulus wenig später die Seinen an einer der berüchtigsten Stellen seiner Briefe zum Gehorsam gegen die weltliche Obrigkeit auffordert (Rö 13,1),
meint er den Staat des Kaisers Nero, gegen dessen Unrechtssystern römische Intellektuelle zur gleichen Zeit aufbegehren.82 Ein Vor-sprung der Christenheit? Oder Anpassung von Machthungrigen an die tatsächlichen Machtverhältnisse?
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Die vom Evangelium eingeführten »falschen Zeugen« sind allesamt falsch. Sie sollen die These von der Schuld der Juden stützen.
Dasselbe gilt für den Vorwurf der Rechtsbeugung durch die jüdischen Richter.83 Im übrigen kamen spätere christliche Inquisitions-gerichte durchweg weniger Schuldfeststellungen (dafür mehr
Folter!) als das Gericht über Jesus aus, um im Namen »Jesu« den Scheiterhaufen zu verordnen!
Ungewiß bleiben die Stunde der Hinrichtung84 und das Todesda-
tum85 ; auch der genaue Ort der Kreuzigung ist nicht zu ermitteln. Wo heute die Grabeskirche in Jerusalem steht, dürfte er nicht gelegen haben. Daß jemals das Kreuz Jesu aufgefunden worden sei (nach dreihundert Jahren durch die Mutter des Kaisers Konstantin!), ist eine Lüge. Die auf der Welt verteilten Splitter vom wahren Kreuz sind allesamt Fälschungen. Doch der Glaube der Christenheit sieht alles etwas
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