Sex und Folter in der Kirche
feierlichen Prozession vorangetragen werden, darf sich ruhig auch einmal solcher Inhalte erinnern. Immer wieder finden sich Stellen im Neuen Testament, die einen »Jesus« zeigen, dem die Gewalt seiner Schöpfer zugelegt wird. Diese wiederum
wird legitimiert durch das bereits erwähnte Bild von »unserem Gott«, aber auch durch eine besondere Anlage, die ich den Jünger-Trieb heiße. Er findet sich bei Menschen mit »kleinen Geistern und umfänglichen Seelen«, lebt auf, wo »schwüles Herz und kalter
Kopf zusammentreffen«69, hat stets schlimme Konsequenzen für
Nicht jüngerinnen und ist nicht selten lebensgefährlich. In Form von Glaubensbefehl, Missionsbefehl und Taufbefehl70 brachte er Millionen Menschen Folter und Tod.
Ein Beispiel, das Feuer: »Jesus«, der allem Anschein nach seine Existenz nicht weniger als seine Worte einem bestimmten Trieb verdankt, scheint die Flammen zu lieben. Seine Botschaft ist voll 158
von feurigen und feuerähnlichen Stellen. Schließlich sagt er von sich selbst: »Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Und was will ich anderes, als daß es brenne!« (Lk 12,49). Welches Feuer mochte er meinen? Ein reales? Ein geistiges? Wer auf die Kirche schaut, kann mit Fug und Recht sagen: Das eine ja, das andere nein!
Von realem Feuer war in der Kirchengeschichte nicht nur die Rede; Hunderttausende mußten es am eigenen Leib verspüren. Um so
seltener war geistiges Feuer zu spüren, das Jünger angezündet und am Brennen gehalten hätten.
Ein durchweg fundamentalistisch agierender »Jesus« spricht,
wenn er in Sachen Gewalt tätig ist, auch von seinem Krieg, von seiner Gewalt auf der Welt und mitten durch die Familien hindurch: »Glaubt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich kam nicht, Frieden zu bringen, sondern das
Schwert. Ich kam, den Sohn mit seinem Vater zu entzweien, die Tochter mit der Mutter, die Schwiegertochter mit der Schwieger-mutter. Und die Feinde des Menschen werden seine eigenen Hausgenossen sein« (Mt 10,34 - 36). Nicht gerade buchstäblich zu glauben? Einer ständigen Deutung bedürftig? Schon die Antwort auf diese Fragen läßt einen ins Grübeln kommen. Und darüber hinaus: Reicht die Jünger-Legitimation aus? Heiligt der höhere Zweck alle Mittel? Darf der Wille »unseres Gottes« den übrigen Menschen
alles antun, Feuer werfen, Familien zerstören, Opfer fordern? Wird verlangt, wir sollten diese Worte, die das Neue Testament seinem Heiland in den Mund legt, nicht gar so grausam wörtlich nehmen, dürfen wir zurückfragen, weshalb dann seine Menschenliebe und Erlösung (die Auferstehung eingeschlossen) wörtlich genommen
werden sollen.
Erklärt die biblische Vorstellung vom nahenden Ende viel von
der Härte und Grausamkeit des Evangeliums? Wer so zeitbezogen argumentiert, vergißt nicht nur die Geschichte der Jüngerschaft, sondern auch manche Predigt. Diese macht sich die einschlägigen Stellen wohlfeil zu eigen; sie ist sogar imstande, die nach innen und außen Gewaltbereiten erneut zu mobilisieren. Es ist charakteristisch für Jünger eines jeden Herrn, gehorsam und grausam in
einem zu sein und genau dafür noch belohnt werden zu wollen.
Niemand wird die angeführten Stellen für eine erschöpfende
Darstellung »jesuanischer« Gewalt halten; niemand wird leugnen können, daß »Jesus« fundamentalistische Züge aufweist und die 159
entsprechenden Haltungen bei den Jüngern vorzufinden liebt, die ihn nach ihrem eigenen Bild schufen und mit Gewalt gegen bessere Modelle des Menschseins durchsetzten.
Aggressive Passion
Was kommen wird, führt sich schief ein: »Da entgegneten ihm
einige der Schriftgelehrten und Pharisäer: Meister, wir wollen ein Zeichen sehen von dir. Er aber antwortete: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein anderes gegeben werden als das des Propheten Jona...« (Mt
12,38 f.). Gemeint sind zum einen die drei Tage, die der Prophet -
biblisches Seemannsgarn! - im Bauch eines Fisches verbracht
haben soll. Zum anderen wird, aufgrund später erworbenen Glaubens, auf die drei Tage verwiesen, die vorgeblich zwischen Kreuzestod und Auferstehung »Jesu« liegen. Die Komposition erscheint ziemlich gewagt. Sie hantiert, wenn sie von »drei Tagen« spricht, mit unhistorischen Daten. Und zumindest der konstruierte Zusammenhang zwischen dem Fischwunder und den Passionslegenden
erweckt Verdacht: Ist schon die Jonageschichte frei erfunden, könnte dies auch im
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