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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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anders; er muß dies auch, will er sich nicht aufgeben.» Christus ist für unsere Sünden gestorben «, sagt der Verfasser des sogenannten ersten Briefes an die Korinther, »er ist begraben und am dritten Tage auferweckt worden nach der Schrift... Ist aber Christus nicht auferweckt, ist unsere Predigt nichtig und euer Glaube auch« (l Ko 15,4 f. und 14). Damit sind Tod und Auferstehung »Jesu« als für die Gläubigen wesentlich definiert.
    Die Evangelien sind, ähnlich wie andere Geschichtsschreibungen jener Zeit,86 nicht an der historischen Wahrheit interessiert. Hier schrieben keine neutralen Zeugen, sondern Bekenner, die auf eine eigene Wahrheit ausgerichtet waren. Diese soll für das Wohl wie für das Wehe aller Menschen relevant sein. An ihr entscheiden sich Heil und Unheil (Mt 12,30). Sagt ein Mensch ja zur Wahrheit der Jünger über »Jesus«, wird er von diesem gerettet. Sagt er nein, bleiben ihm Verdammnis und ewiges Feuer (Mk 16,16). So fundamentalistisch simpel ist das selbstgestrickte Motto der Interessierten, die ihrerseits wie selbstverständlich zu den Geretteten zu gehören glauben. Eine angeblich auserwählte Gruppe setzt die Figur Gottessohn bewußt für ihre Ziele ein. Am Glauben oder Nichtglauben gegenüber dem gruppenorientierten »Jesus« soll sich das ewige Leben aller Menschen entscheiden. Diese an sich ausweglose Alternative, seit zweitausend Jahren abermillionenfach vorgelegt, kommt einer Methode stärkster Gewissensfolter gleich. Sie erniedrigte Millionen Menschen im wörtlichen Sinn zu Opfern eines Jünger-Traums.
    Nach dem Willen ihrer Verfasser sind die Lehre vom Leiden
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    »Jesu« und ihre masochistische Tendenz87 nicht nur nach innen bedeutsam. Sie betreffen nicht allein den Glauben der Christen an den am Kreuz hingerichteten Herrn, von dessen Auferstehung ihr Heil abhängt. Bliebe die Zielrichtung der nur zu einem verschwindend geringen Teil auf Fakten gegründeten Passionsgeschichte auf den Innenraum der Gläubigen beschränkt, könnten sich alle abwenden, die diesen Glauben nicht teilen wollen oder können; sie brauchten sich nicht weiter dafür zu interessieren. Wer nicht glaubt, könnte Kreuz und Auferstehung getrost vernachlässigen.
    Sie beträfen ihn nicht. Doch Jünger geben sich mit einer solchen Haltung nicht zufrieden. Sie erzählen (genauer: erfinden) nicht nur eine Geschichte, die den inneren Glauben einer Gruppe von Menschen beträfe. Ihre Erzählung ist nach außen gerichtet, gegen die anderen. Damit ist sie, unter dem Vorwand einer friedlich heil-schaffenden Absicht, aggressiv gehalten. Sie trägt Möglichkeit und Realität eines Gerichts in sich. Was die sogenannte Leidensgeschichte erzählt und wie sie es erzählt, soll die da draußen treffen, die Gegner schlechthin, die auf Kreuz und Auferstehung mit Nein antworteten und damit ihr Heil verwirkten. Zum Teil büßten sie, in späterer Zeit, auch ihr Leben ein: wegen Unglaubens gegenüber den
    »Wahrheiten Jesu«.
    Von daher gesehen, ist auch die Wiedergabe der Passion »Jesu«
    ein Beweis für die Aggression der Evangelien gegen Fremde. Diese werden in der Passionsgeschichte aufgezählt und geradezu gewalttätig markiert. Zu ihnen zählen an erster Stelle die Juden88, die —
    wiederum nicht als einzelne, sondern als Volk! — in einem Ausbruch von Haß und Leidenschaft die Verurteilung und den grausamen Tod ihres Erlösers verlangt haben sollen. Dabei steht, wenn überhaupt, die Tatsache fest, daß Jesus nicht von Juden, sondern von Römern umgebracht wurde.89 Die Militärmacht war alles andere als die Vollstreckerin eines vorher gefaßten Urteils der Juden.90
    Doch die tendenziöse Berichterstattung in wichtigen (nicht allen91) Passagen des Neuen Testaments stellt die Fakten auf den Kopf; offenbar sind ihre Verfasser an der These von der jüdischen Kollek-tivschuld92 interessiert. Lukas läßt Hinweise anderer Evangelien auf eine Schuld der Römer aus; dieses Evangelium will in besonders konsequenter Weise aufzeigen, daß Rom nie christenfeindlich
    war.93 Und der Autor des ersten Briefes an die Thessalonicher hält sich gar nicht mehr mit Differenzierungen auf. Seine Meinung ist 163
    ein dezidiertes Wort »unseres Gottes« und eine deutliche Verhei-
    ßung: »Die haben auch den Herrn Jesus getötet und ihre eigenen Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen einfach zuwider« (l Thess 2,15).
    Neutestamentlichen Autoren, typischen Jüngern, ist jedes Mittel recht, um die

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