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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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Liebe und Gewalt erweisen sich in christlichen Kreisen, sei es aus Gründen der Askese oder aus einem Trieb zur
    Nachahmung Christi,210 als ziemlich beständig.
    Von Kreuz und Blut sowie von heiligen Tüchern (Turin), Röcken 189
    (Trier) und anderen Textilien abgesehen, gibt es nach der zumindest bis in die achtziger Jahre unseres Jahrhunderts offiziellen Kir-chenmeinung auch sonstige hervorragende Reste211: Leib, Haupt, Arm, Herz, Zunge, Bein oder jener Körperteil, an dem ein Märtyrer gepeinigt wurde, vorausgesetzt, das Glied ist vollständig erhalten und nicht zu klein. Kirchenfürsten brauchten selten zu geizen; immerhin nennt noch der gegenwärtige, bereinigte Heiligenkalen-der fast zweitausend Namen. Päpste vermittelten und verscherbel-ten die heiligsten Schätze und deckten jeden frommen Betrug im Handel mit Reliquien. Sie sahen in den Friedhöfen Roms geistliche Schatzkammern und gingen mit den Leibern der Heiligen recht
    großzügig um: Manch hochrangiger Besucher durfte mit einem
    toten Märtyrer im Gepäck die Heimreise antreten.212
    Noch heute sind im Vatikan beglaubigte Reliquien von Märty-
    rern aus grauer Vorzeit zu erhalten,213 und noch ist die Zeit nicht gekommen, da selbst Märtyrer nur zwei Hände und Beine haben wie andere Menschen. Denn von 19 überprüften Heiligen existieren immer noch in Kirchen und Kapellen 121 Köpfe, 136 Leiber
    und eine stupende Fülle anderer Glieder.214 Stephanus215, von Juden gesteinigter erster Blutzeuge der Jüngerschaft (Apg 7,57) und erst 415 wunderbar aufgefunden,216 besaß in seinen besten Zeiten 13 Arme, der Apostel Philippus ein Dutzend, der Apostel Andreas 17. Die heilige Agatha ist ähnlich aufgeteilt: Ihre Brüste, im dritten Jahrhundert angeblich gefoltert, sind noch in Catania, Rom, Paris, Capua als Reliquien vorhanden.217
    Die Reliquie ist den Jüngern heilig, der Leib selbst nicht; er kann zerstückelt und benutzt, zur Schau gestellt, gestohlen, gefälscht werden.218 Wodurch unterscheidet sich dieser Umgang mit Menschen von dem heute zunehmend organisierten Skeletthandel,
    einem makabren, quasireligiösen Markt der Menschenknochen?219
    Etwa durch seine religiöse Legitimation? Oder ist diese nicht ideologische Grundlage, historischer Beleg für alles, was auf diesem Terrain noch zu erwarten ist? Auf viele Menschen wirken die Show der Märtyrergebeine, die Vorliebe für ausgestellte Blutreste, Knochen und Schädel, die Sucht, Madonnen blutige Tränen weinen zu lassen,220 die intime Freude an Folter und Tod ekelerregend. Doch sie ist bezeichnend für eine Religion, die sich in ihrer römisch-katholischen Form an grausamen Reliquien weidet und nicht viel gegen das Scheußliche unternimmt, das zumindest in ihrem Volks-190
    glauben zurückblieb von Golgotha. Es kommt noch schlimmer.
    Denn dies ist nur die eine Seite des schrecklichen Jünger-Glaubens.
    Die andere ist entschieden blutiger. Die Liebe der Christenheit zu den eigenen Blutzeugen benötigt den Haß auf alle anderen.
    191

    Geile Suche der Guten

    Die Sprache ist zu schwach, um die Greueltaten
    auszudrücken, welche das Christentum
    begangen...; die Geschichte davon erregt
    Schauder, man entsetzt sich darüber, wenn man
    nur etwas sanftmütig ist...
    Pierre Bayle

    Die dem Inquisitor lieblichste Melodie sind
    Schmerzensschreie. Am Scheiterhaufen stehend,
    wo der Ketzer stirbt, amüsiert er sich. Dieser vom
    Gesetz ermächtigte Inquisitor und Mörder
    bewahrt sich inmitten der Städte die Blutgier des
    Naturmenschen.
    C. A. Helvetius
    192
    Alles schon bekannt? In der Tat kann belegt werden, daß sich heute Begriffe wie »Kreuzzüge«, »Inquisition«, »Ketzerkriege«1 und
    »Hexenverfolgung«2 mit Inhalten füllen lassen. Menschen wissen mittlerweile, daß Hunderttausende gefoltert und umgebracht worden sind. Allerdings bleibt die Kenntnis meist ohne Konsequenzen.
    Gerade bei den Jüngerinnen.
    In den Kirchen werden Sonntag um Sonntag Fürbitten vorgetra-
    gen. Eine Anregung: Statt immer wieder für eigene Anliegen zu beten, wäre erinnernde Fürbitte für Täter und Opfer der Religion angebracht. Wer hörte sie je? Wem fehlte sie überhaupt? Hätten Gläubige nicht hunderttausend Gründe, sich zu erinnern? Dürfen sie den Holocaust gleichgültig angehen, die Vernichtung, Verbrennung, Einäscherung so vieler Menschen im Namen ihrer Religion verdrängen? Und wir anderen? Sollen wir die freundlich frommen Mitbürgerinnen zur Tagesordnung übergehen lassen? Zusehen,
    wie sie Gottesdienste besuchen,

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