Sexpertin in Mord
geflügeltes Wort zu benutzen, wir sollten uns schleunigst aus
dem Staub machen .«
Er bückte sich, nahm mich bei
den Händen und zog mich hoch, als sei ich so ein spindeldürres, federleichtes
Mannequin und nicht 120 Pfund wohlgerundete Mavis Seidlitz. »Von weit her sind
Sie in diesem Gewand wohl nicht gekommen ?« Er berührte
flüchtig mein Spitzennegligé.
»Ich wohne nebenan«, sagte ich.
»Da gehen wir hin«, sagte er,
und im nächsten Augenblick wurde ich beinahe von den Füßen gerissen; ich
stolperte hastig hinter ihm her.
Als wir in meinem Zimmer
angelangt waren, verschloß er die Tür und steckte den Schlüssel ein. Es machte
mir weiter nichts mehr aus, weil ich erstens nicht recht wußte, ob er Amore
oder Mord im Sinn hatte, und weil ich mir zweitens viel mehr Gedanken um den
armen Frank Jordan machte, der tot im Nebenzimmer lag.
»Die Sache mit Jordan tut mir
leid«, sagte der Fremde sanft, als könne er meine Gedanken lesen. »Waren Sie
befreundet ?«
»Ich habe ihn erst vor einer
Stunde kennengelernt .« Aus irgendeinem Grund wirkte
dieser britische Akzent richtig beruhigend und nahm mir all meine Hemmungen.
Ehe ich recht begriff, was eigentlich vorging, war ich schon dabei, ihm die
ganze Geschichte zu erzählen. Er hörte aufmerksam zu, bis ich fertig war, dann
lächelte er; er besaß sehr weiße Zähne, und wie er sie beim Lächeln entblößte,
das ließ ihn etwas raubtierhaft wirken — und mein Negligé aus Lochstickerei war
ja auch kein wirksamer Schutz gegen seine lebhaften blauen Augen.
»Lassen Sie mich Ihr Gewissen
wegen Jordan beruhigen«, sagte er. »Er war kein Geheimagent, sondern nur ein
Privatdetektiv, den ich beauftragt hatte, etwas herauszufinden .«
»So ?« sagte ich, weil ich nicht wußte, was ich sonst sagen sollte.
»Ich hingegen gehöre dem
britischen Geheimdienst an«, fügte er ganz beiläufig hinzu. »Aber das muß
natürlich unter uns bleiben, wie Sie verstehen werden. Es wäre mir äußerst
unangenehm, wenn ich den hiesigen Behörden meine wahre Identität offenbaren
müßte. Sie begreifen doch ?«
»Ich glaube schon«, sagte ich.
»Was sollte Frank denn eigentlich für Sie erledigen ?«
»Horchen«, sagte er schlicht.
»Ich erfuhr, daß sich die Eurospan-Brüder in einer Wohnung gegenüber
eingenistet hatten, so lag es nahe, Jordan samt seiner elektronischen
Ausrüstung hier im Hotel einzuquartieren und ihn lauschen zu lassen.
Unglücklicherweise hat er nie etwas von Belang gehört, und daher wird sich die
Sache in meiner Spesenaufstellung etwas peinlich nehmen .«
»Der arme Frank ist soeben
ermordet worden«, sagte ich vorwurfsvoll. »Meinen Sie nicht, das sei noch
peinlicher ?«
»Der arme Frank«, sagte er. »Zum
Glück kann ich jederzeit einen Ersatz engagieren .«
»Also!« Ich holte tief Luft und
giftete ihn an. »Reagieren Sie immer so, wenn jemand durch Ihre Schuld ums
Leben gekommen ist ?«
»Sie wissen doch, wie es
heutzutage ist, die Bevölkerungsexplosion steht ohnehin bevor«, sagte er
achselzuckend. »Bei der Menge fällt ein Verlust nicht so schwer ins Gewicht .«
»Wir werden auch gleich auf der
Verlustliste stehen, wenn wir nicht verschwinden«, sagte ich und erinnerte mich
plötzlich. »Tino und Marty müssen jeden Augenblick aufkreuzen, um das Resultat
ihrer Schießerei zu überprüfen .«
Er schüttelte den Kopf und zog
ein aufreizend überlegenes Gesicht. »Das Risiko werden sie nicht eingehen. Ich
wette, sie haben die Wohnung drüben sofort nach den Schüssen verlassen und sind
jetzt irgendwo in Rom untergetaucht. Aber in einer Hinsicht haben Sie recht: Es
wird Ihnen eine Menge peinlicher Fragen seitens der Polizei ersparen, wenn Sie
zur Zeit, als die Schüsse fielen, gar nicht hier waren .«
»Aber ich war doch hier«, sagte
ich verständnislos.
»Falsch. Ich habe Sie heute abend um halb acht abgeholt, und als das hier
passierte, saßen wir beim Essen .« Er nahm eine
schwarze Zigarette aus einem Platinetui und zündete sie mit einem goldenen
Feuerzeug an. »So reizend ich das Negligé auch finde, meine Liebe, ich fürchte
doch, zum Dinner paßt es nicht. Könnten Sie vielleicht in etwas Verhüllenderes schlüpfen ?«
»Okay.« Was er von der Polizei
und peinlichen Fragen sagte, leuchtete mir ein, und Frank Jordan konnte ich nun
sowieso nicht mehr helfen. »Warten Sie draußen«, sagte ich, »in fünf Minuten
bin ich soweit .«
»Ausgeschlossen«, meinte er.
»Ich kann nicht riskieren, daß mich jemand sieht und sich später an
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