Sexualitaet mit Leib und Seele
sehen
Jäger, Sammlerinnen, Bauern, Handwerker vor hundert, tau send oder hunderttausend Jahren benötigten alle Sinne für ihr Überleben. Sie mussten scharf sehen (um Beute und Gefahr zu erkennen), gut riechen (Gefahr!), aufmerksam schmecken (für Giftiges und Verdorbenes), nicht nur gut hören, sondern lauschen (Gefahr, Beute), präzise fühlen (für handwerkliches Können und das Tasten im Dunkeln) und außerdem sich ziemlich gut bewegen können. Ihre Körper einschließlich ihrer Wahrnehmung waren trainiert und leistungsstark. In den letzten ungefähr fünfzig Jahren verengte sich aber das Spektrum dieser Fähigkeiten dramatisch auf den visuellen Bereich. Um »Beute zu machen«, starren heutzutage sehr viele von uns den ganzen Tag auf einen Bildschirm.
Fühlen, Spüren, Tasten, Riechen, Schmecken wird als kin ästhetische Wahrnehmung zusammengefasst, als unser »Kör persinn«. Dieser wird kaum noch gefordert, da wir ihn nicht mehr so notwendig brauchen. Das Visuelle nimmt auf breiter Front zu.
In der Sexualität hat dies zur Folge, dass »Sex im Kopf« immer massiver an Raum gewinnt, meist in Form von erotischen Fantasien. Diese stimulieren direkt das Testosteron, unser Libidohormon, und das bewirkt starke Erregung. Der Sex im Kopf hat eine Standleitung direkt in die Genitalien, der Reiz schlägt in diese wie ein Blitz ein. Für Männer ist dies besonders verführerisch, da sie über sehr viel mehr Testosteron verfügen als die Frauen.
Aber ist dies wirklich ein Gewinn für die Sexualität?
Sex im Kopf ist eine sehr einseitige Stimulierung, der Körper bleibt außen vor. Das Visuelle entführt uns schnell in abstrakte Regionen. Es gibt Menschen, die sich zum Orgasmus bringen können, ohne sich nennenswert zu bewegen. Und ohne den Partner zu benötigen. Der ist vielleicht nicht mal mehr Schauspieler im Kopfkino, sondern nur noch Statist, denn in erotischen Fantasien kann man sich alles Mögliche vorstellen.
Aber Sex im Kopf ist wie ein Gewitter ohne Regen. Es lässt das Land trocken zurück. Nur in Verbindung mit dem Körper findet unsere Erotik Tiefe, Befriedigung und Erfüllung. Die Sprache der körperlichen Liebe hat als Hauptvokabel das Spüren. Und der Sitz der Lebensenergie ist das Becken, nicht der Kopf.
Sex ist am intensivsten, wenn er mit allen Sinnen erlebt wird: Wenn uns gefällt, was wir sehen, Musik und Liebeslaute stimmen, alles richtig und gut riecht und Bewegungen und Berührungen sinnlich sowie »berührend« sind. Wenn man sich die Wahrnehmung mit allen Sinnen zurückerobert, hat man die besten Grundlagen für intensive, anhaltende sexuelle Befriedigung.
Darum pflegen Sie Ihren kinästhetischen Sinn, trainieren Sie sich im Fühlen. Sie können es im alltäglichen Leben bei vielen Gelegenheiten tun: Nehmen Sie sich Zeit zum Essen, zum Schmecken. Würzen Sie mit Kräutern, und schnuppern Sie an allem, was auf den Tisch kommt. Essen Sie öfter mit den Fingern, und lutschen Sie sie ab. Laufen Sie so oft es geht barfuß, vor allem draußen. Beschenken Sie sich bewusst mit den verschiedensten Hautstimulationen: Sauna und Kaltdusche, Salzpeeling und Massage. Menschen, die ihren Körper mit Bewegung fit halten, sich mit Wellness verwöhnen können, auch wenn sie dazu nur die eigene Badewanne verwenden, und die sich in der eigenen Haut so richtig wohlfühlen, haben oft eine erotische Ausstrahlung, selbst wenn der Körper nicht den üblichen Schönheitsnormen entspricht.
Wer seinen kinästhetischen Sinn schult, hat mehr Genuss, hier und jetzt. In der Sexualität und im Leben.
Geben Sie Brad und Angelina den Laufpass
Wir sind einfach sehr leicht verführbar. Ob Fernsehen, Handy oder Dauermusikberieselung, die Menschheit gibt sich, sobald sie Gelegenheit dazu hat, Reizen bereitwillig hin. Unser Gehirn scheint instinktiv danach zu gieren, aber wer dem ungehindert nachgibt und ungezügelt all die Unterhaltungsangebote konsumiert, die als selbstverständlich angeboten werden, ruiniert seine Fähigkeit zu gerichteter Auf merksamkeit. Wenn ständiges Abgelenktsein normal ist, kann man sich einer Sache nicht länger als ein paar Minuten widmen. Alles muss auf Knopfdruck funktionieren, und wenn das nicht gelingt, wird man sofort ungeduldig. Mittlerweile ist gut erforscht, dass wir uns mit unserer Medienkultur gehirnphysiologisch total überlasten.
Für die körperliche Liebe ist es kein Gewinn, wenn man leicht ablenkbar ist. Möchten Sie von einem Mann gestreichelt werden, der gerade an seine
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