Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
später in der Eisdiele.
Partys gab es nicht, bevor ich sechzehn war, und wenn ich bis zweiundzwanzig Uhr ausgehen durfte, dann waren das zwar sehr lustige, aber brave Angelegenheiten mit netten Jungs und Cola-Rum, die ich nicht trank, denn ich mochte keinen Alkohol. Von Drogen hatte noch keiner etwas gehört.
Dazwischen gab es Tanzstunden, das Grausen jedes als hip gelten wollenden Teenagers. Oberspießige, schrullige Tanzlehrer beiderlei Geschlechts, die aussahen, als wären sie beim Dorftanzturnier als Schlusslicht durchgegangen, versuchten Foxtrott, Walzer und Rumba in die meist unbeholfenen Körper der Tanzunwilligen zu hämmern.
Leider musste man sich von den Jungs mit den feuchten Händen offiziell angrabbeln lassen, und ich weiß noch, wie mein Rücken immer steifer wurde, wenn Harald, angetan mit einem Konfirmationsanzug aus mausgrauem Trevira, mit seinen suchenden Griffeln fest meine Taille umschloss.
Von Sex konnte in diesen Jahren gar keine Rede sein. Es wurde noch nicht einmal darüber gesprochen. Irgendwie ging man als Jungfrau in die Ehe, dachte man vage.
Ich fand das auch richtig so - nicht nur aus moralischen Gründen, sondern aus Angst vor Schwangerschaft. Denn ohne die Pille hatten Gesellschaft und Eltern die größte Angstwaffe in der Hand: unerwünschte Babys!
Ich erinnere mich noch an meinen ersten richtigen Schwarm mit vierzehn, dessentwegen ich kurzzeitig zur Stalkerin wurde. Ich hatte ihn im Park bei meinen Großeltern um die Ecke gesehen und war sofort verliebt, denn er war der neue Typ Junge, den ich mochte. Er trug Jeans, eine braune Wildlederjacke, Rollkragenpulli und hatte modern geschnittene, kurze Haare ohne Scheitel, die etwas nach vorne gekämmt waren.
Nun begann eine mehrere Wochen andauernde Show von mir, die mit häufigen Besuchen bei meiner überraschten Oma verbunden war. Kaum dort, musste ich plötzlich unbedingt aus dem Haus, um Taschentücher, neue Perlonstrümpfe (wegen einer Laufmasche) oder ein Heft für die Schule zu kaufen.
Ich ging schnurstracks in den Park und hoffte, dass er auch da war, denn die jungen Leute (so nannte man uns) waren gern in den Parks. Immer wenn ich ihn sah - auf der Bank sitzend, im Gespräch mit einer Gruppe -, ging ich wie zufällig an ihnen vorbei. Ich weiß, dass er mich auch sah, denn beim dritten Spaziergang, bei dem ich es wagte, mich selbst salopp auf eine Bank zu setzen und in die Luft zu starren, kam er zu mir und fragte: »Wohnst du hier?«
Wow, ziemlich mutig!
Wir redeten ein wenig, er hieß Klaus und war Lehrling im Eisenwarenladen. Ja, und nun? Adressen- oder Telefonnummernaustausch
kam nicht infrage. Meine Mutter überwachte alle Telefongespräche, und ein Klaus, der mich anrufen würde, hätte zu viele Fragereien zur Folge. Ich wusste, das war’s irgendwie, aber mein Herz schmerzte.
Als wir bald darauf in der Klasse aufgefordert wurden, eine Zeichnung unserer Wahl zu machen, zeichnete ich ihn aus dem Gedächtnis, mit Jeans, Lederjacke und allem Drum und Dran. Ich glaube, ich verpasste ihm einen ziemlich seelenvollen Ausdruck mit gerunzelten Brauen, ein bisschen wie James Dean. Die Zeichnung kam in eine kleine Ausstellung in der Pausenhalle, und ich war ziemlich stolz.
Ich habe Klaus nie wiedergesehen!
Wie bastele ich mir einen Mann?
Weil nichts los ist , mache ich mir eine Wunschliste mit den drei Männertypen, die mir bekannt sind: Künstler, wohlhabender Gentleman, Akademiker.
Wir teilen Männer ja in verschiedene Kategorien ein, und zwar je nachdem, aus welcher Gesellschaftsschicht wir kommen. Und immer, wenn uns ein Typus besonders exotisch und unerreichbar vorkommt, dann romantisieren wir ihn.
Als mögliche Option überlege ich mir deshalb den Arbeiterklassen-Sexmeister, den ich zwar noch nie getroffen habe, aber der mir manchmal à la Hollywood im Kopf herumspukt. Er steht auf dem Bau mit der Kelle oder dem Hammer in der Hand - oder was Bauarbeiter so in der Hand haben. Toller, muskulöser nackter Torso (es ist Sommer!), vielleicht ein geripptes Unterhemd, so wie sie nur Proleten anhatten, als ich Kind war, auf die schmalen Hüften runtergerutschte verwaschene Jeans, klobige Stiefel, ein Schutzhelm auf dem blonden Pferdeschwanz. Wir treffen uns zum Bier, sitzen auf der Treppe vor meinem Haus und machen begrenzte Konversation, aber später im Schlafzimmer, oh là là, da wird geschwitzt und es fallen blitzschnell Hüllen und Konventionen …
Als eine von Kind an große Träumerin mit einer blühenden
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