Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
im Supermarkt meinen deutschen Pass zeigen, weil ich mit meinem Freund Wein kaufen wollte.
»Are you over eighteen?«, fragte die Kaugummi kauende Kassiererin, und ich prustete los. Halb geschmeichelt, halb empört. Ich trug Zöpfe und Latzhosen im Hippie-Stil, daran muss es gelegen haben.
Gleichzeitig wollte ich unbedingt »reif« aussehen, weil ich das mit »interessant« verband, und sehnte mich nach diesem gewissen Gesicht, zu dem einem nicht unbedingt Worte wie niedlich, hübsch oder bezaubernd einfielen.
Das Gesicht habe ich heute wohl mehr oder weniger.
Was mir in den Internet-Singlebörsen ziemlich schnell auffiel, war die Tatsache, dass über die Hälfte der Anfragen von jüngeren Männern kamen. Drei Jahre jünger ist ja ziemlich normal, aber zehn, zwanzig und dreißig Jahre jünger?
Was ist los? Ist Knappheit unter den jungen Frauen ausgebrochen? Bin ich so heiß und unwiderstehlich, oder hat
sich das Sex- und Partnerschaftsmuster tatsächlich gelockert und gewandelt und den Realitäten der sich stark geänderten Frauenrollen angeglichen?
»Ach, Alter ist doch nur eine Zahl«, wurde ich belehrt, wenn ich auf Anfragen von Männern Anfang vierzig so Sätze schrieb wie: »Bisschen jung, oder?«
Zugegeben, nicht irrsinnig originell.
»Können Sie sich auch vorstellen«, plötzlich wurde ich gesiezt, sehr interessant, »mit einem jungen Mann etwas anzufangen?« Das fragten mich zweimal Dreißig-Plus-Männer.
Logisch kann ich das. Und habe es auch getan.
Die Sache ist nämlich die, ich gehöre zu den älteren Frauen, die immer schon auf jüngere Männer gewirkt haben, und zwar ohne dass ich es je darauf angelegt hätte.
Als ich fünfundzwanzig war, verliebte sich ein Zwanzigjähriger unsterblich in mich und ich mich in ihn. In dem Alter ist daran natürlich nichts wirklich Sonderbares. Man ist jung, frisch, sexy, gierig nach Lust, Liebe, Berührung. Die Körper sind makellos, die Gesichter faltenfrei, die Seele noch relativ unversehrt und das Herz höchstens ein-, zweimal gebrochen.
Man taucht ineinander ein wie in einen See, jappst und schüttelt sich hinterher wohlig wie ein Hund am Strand. Als wir uns einmal lachend im Bett herumrollten, sagte er nur halb im Scherz, und seine stahlblauen Augen hatten einen schwärmerischen Glanz: »Ich liebe ältere Frauen.« Das hörte sich für meine fünfundzwanzig so komisch an, dass ich noch mehr lachte.
Ich hatte im Alter zwischen fünfunddreißig und fünfzig Jahren mehrere Liebschaften mit drei bis zehn Jahre jüngeren Männern, aber richtig interessant wurde es erst später.
Als ich zweiundfünfzig Jahre alt war, verliebte ich mich in einen vierzehn Jahre jüngeren Mann, der mich mit so viel Witz und flammendem Begehren verfolgte, dass ich nicht Nein sagen konnte und wollte. Wir waren ein dynamisches Paar, Seelenkameraden und doch Feinde; es gab viel Sex, viel Wut, viel Zank und Streit - und eben auch irre viel Spaß und viele Momente von echtem Glück. Doch oft waren wir ein bisschen wie böse Kinder, die sich grausam verletzen, ohne zu wissen warum und ohne sich die Konsequenzen auszumalen. Trotz der Differenzen hatten wir eine fünf Jahre andauernde Beziehung, die zu den wichtigsten in meinem Leben gehört.
Das Alter spielte tatsächlich keine Rolle, was die Äußerlichkeiten anbetraf, aber ich wusste, dass es meine Lebenserfahrung und meine Überlegenheit waren, die mich davor schützten, ihm mit Haut und Haaren ausgeliefert zu sein. Er war wirklich gefährlich, aber das war es wohl, was ich wollte und brauchte.
Und nun sind sie wieder da, die jungen Männer.
Es wird in letzter Zeit sehr viel von den sexy reifen Frauen von fünfzig aufwärts geschwärmt, als hätte es sie vorher nie gegeben. Hat es auch sehr selten in dieser Form.
Vor nicht allzu langer Zeit nannte man uns »Frauen in einem gewissen Alter«. Das gewisse Alter schien unaussprechlich - es besagte, dass eine Frau nicht mehr begehrenswert war, also ihre wichtigste Rolle verloren hatte und jetzt wie ein reduziertes Halbwesen durch eine asexuelle Schattenwelt geisterte. Heimlich bemitleidet, oft auch belacht, aber nie ernst genommen. Die nächste Stufe war das Dasein als Matrone oder ältliches Fräulein, wobei dreißig und unverheiratet als absolut alarmierender Zustand erschien
und das Eintreten in ein Kloster als gute Alternative zu einer traurigen Existenz ohne Mann galt.
Natürlich setzten zu allen Zeiten auch Frauen über vierzig die Fantasien der Männer in Brand, weil
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