Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
Fantasie, deren wichtigste und geheimste Gefühle oft im Dunkeln eines Kinos über die Leinwand ausgelebt wurden,
will ich auch im Leben die großen Themen am liebsten in einer unterhaltsamen, spannenden Story präsentiert kriegen.
So hoffte ich bei meinem Dating-Projekt, das man »Fremde Männer suchen fremde Frauen« nennen könnte, auf herrlich dekadente Lügen, Fantasien, Geheimnisse und deren Enthüllungen. Also auf Dinge, die in der Online-Datingszene einen wunderbar fruchtbaren Boden vorfanden.
Und ich, ich war ja eine Art Betrügerin. Ich war nicht, wer ich vorgab zu sein. Was eigentlich egal ist, denn der Moment, in dem man sich trifft, ist immer ein Überraschungsmoment, keiner weiß, was passieren wird. Das Spiel fängt erst da an.
Es gibt ein paar witzige ältere Filme, in denen es um sogenannte »Bräute auf Bestellung« ging. Das waren Bräute, die wegen großer Entfernung von der Zivilisation und der damit verbundenen Frauenknappheit von männlichen Abenteurern ganz einfach per Post bestellt wurden oder von vertrauenswürdigen Vermittlern verscherbelt wurden. (So neu ist die Idee von Partnervermittlung also nicht.) Cowboys, Seefahrer, Plantagenbesitzer, Missionare in China, all diese Pioniere brauchten Frauen. Für Sex, Kinderkriegen, Haushaltsführung. Also wie immer.
Am schönsten finde ich den Film Das Piano (von Jane Campion) und den ziemlich unbekannten Streifen Das Geheimnis der falschen Braut (von François Truffaut). Im Piano bestellt sich ein ziemlich steifer Neuseeländer in den späten 1890ern die stumme, extrem eigenwillige Adele als Frau, um in der Einsamkeit des Urwalds einen warmen Körper zur Verfügung zu haben, und verlangt dafür, wie sich zeigt, unbedingte Unterwerfung. Dass die renitente Ex-Pianistin mit einem riesigen Piano und einer kleinen Tochter ankommt,
ahnt der achtbare Herr nicht. Noch weniger, dass sie sich von einem ungezähmten, im Gesicht tätowierten Eingeborenen ausziehen und wundervoll verführen lässt. Das Dating-Café hätte der Pianistin sicherlich zu dem biederen Sam geraten.
Vielleicht wollte ich insgeheim auch so einen tätowierten Mann, der wenig spricht, vor Männlichkeit strotzt, in sich selbst ruht und seinen Wurzeln treu bleibt?
Weiber sind eben ein romantisches Volk! Und dazu ein verlogenes, berechnendes, das den Mann an den Rand des Abgrunds zerrt und ihn sogar oft in denselbigen hinabstößt.
Die falsche Filmbraut in dem Truffaut-Streifen dagegen, gespielt von einer jungen Catherine Deneuve, repräsentiert die Gefahr, die von Liebe und Sex ausgeht, und das in diesem Fall tödliche Geheimnis, das vertauschte oder erlogenen Identität bergen kann.
Ein reicher Geschäftsmann bestellt sich eine Braut, die mit dem Schiff ankommt, von großer Schönheit und sehr mysteriös ist. Er verliebt sich unsterblich in sie, aber eines Tages ist sie weg! Mit seinem gesamten Vermögen. Er sucht sie überall und findet heraus, dass sie nicht die ist, für die sie sich ausgab.
Vielmehr hatte sie die echte Braut ermordet und ihre Stelle eingenommen. So etwas kann schon mal passieren, besonders wenn der männliche Part verbrieftermaßen mehrfacher Millionär ist.
Ob ich wohl auch einmal so einen sexy Millionär wie in dem Film treffen würde, den ich ausnehmen und reinlegen konnte?
Sicher nicht im Internet. Ich checke die Angebote und meine Mails.
»Klau mir mein Herz, ich raub dir den Verstand«, verspricht ein zweiundfünfzigjähriger herzbub . Das hört sich wie ein unfairer Deal an. Kommt nicht infrage.
»Ich möchte noch mal Schmetterlinge oder Flugzeuge im Bauch spüren«, wünscht sich youngatheart56 . Oje. Am besten, je eins davon verschlucken, nehme ich an. Das müsste den gewünschten Effekt haben.
Schoengeist12 - er steht in der Skijacke vor den Bergen - schickte mir diese Perle schwülstigen Schwachsinns, den er ohne Zweifel in der Beratungsfibel Wie gewinne ich als Schmalz-Poet leicht begeisterungsfähige Frauen im Internet abgeschrieben hat: »Mit einer Metapher an die Liebe möchte ich Deine Seele berühren, den Strand des Lebens, an den der Ozean des Schicksals unermüdlich neue Dinge an Deine Seele spült. Es können neue Menschen sein, denen Du begegnest, Worte und Weisheiten, Erlebnisse, Gedanken. Wie Muscheln liegen sie an Deinem Strand, warten darauf, von Dir gefunden zu werden …« Blabla und so weiter.
Die Weisheiten, die ich am Strand und im Internet entdecke, sind nicht neu: Nicht nur die Hoffnung stirbt zuletzt, auch der Wunsch
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