SGK216 - Draculas Vampirfalle
Durchlass führte in einen tunnelartigen Stollen, der mindestens
fünf Meter hoch und sehr breit war, so dass bequem eine Kutsche hindurchfahren
konnte.
Auf der anderen Seite jenseits des Innenhofs lag der hochaufragende,
eckige Turm mit der massiven Holztür. Einer der drei Vampire schloss die Tür
auf, und Larry Brent wurde achtlos, wie ein toter Gegenstand in die Finsternis
gestoßen.
X-RAY-3 stürzte auf den Boden, der feucht und mit Unrat und Laub
bedeckt war, in dem alte Lappen und - ein morsches Skelett lagen, das vor
langer Zeit mal ein Mensch gewesen war, den man mit eisernen Ketten an das
grobe Mauerwerk geschmiedet hatte.
Die Tür knallte hinter X-RAY-3 ins Schloss, dann wurde ein schwerer
Riegel vorgezogen und abgeschlossen.
Die Vampire gingen durch den tunnelartigen Eingang in den Innenhof der
Ruine zurück und tauchten in der Finsternis dieser unheimlichen, grausamen
Nacht unter.
Iwan Kunaritschew löste sich aus der Dunkelheit, vergewisserte sich
mit einem Blick in die Runde, dass niemand ihn beobachtete, und näherte sich
schnell der Turmtür, hinter der Larry lag.
Kunaritschew legte lauschend das Ohr an.
Er hörte ein Rascheln und wusste, was es bedeutete.
Zahllose Ratten kamen aus ihren Schlupflöchern, um sich über den
Hilflosen herzumachen...
*
Über dem Eingang stand in großen schwarzen und verschnörkelten Lettern
„Charles Hotel". Es war eines von vielen Hotels in der Straße, deren
Eingänge und Zimmer sich wie ein Ei dem anderen glichen und die zu einem
günstigen Preis Unterkunft und Frühstück boten.
In dem Haus stiegen besonders viele Deutsche ab, die über ein
verlängertes Wochenende nach London kamen, um hier Shopping zu machen oder sich
auch nur die Stadt anzusehen.
In „Charles Hotel" waren auch Hans Gerdes und Sonja Brauer
untergebracht.
Sie verfügten über ein Doppelzimmer. Es war das Zimmer Nr. 107.
Die vergilbten Vorhänge waren zugezogen, und aus der Ferne hörte man
das Rauschen des Straßenverkehr der auch in tiefer Nacht nicht abebbte.
Die junge Frankfurterin warf sich unruhig von einer Seite auf die
andere. Seit über zwei Stunden lag sie im Bett und fühlte sich wie gerädert.
Sie fand einfach keinen Schlaf und war wie aufgedreht, obwohl sie sich
ständig zu innerer Ruhe zwang.
Ihr Herz pochte, und immer wieder brach ihr ohne Grund der Schweiß
aus.
Sie strampelte die Decke zurück, atmete tief und öffnete die Augen.
Der leise Nachtwind drang durch das geklappte Fenster und setzte die
bis zum Boden reichenden Vorhänge in sanfte Bewegung.
Was war nur los mit ihr?
Sonja Brauer stand auf. Sie fuhr sich mit der Hand über die
schweißnasse Stirn, die sich heiß und fiebrig anfühlte. Die Unruhe in der
Zwanzigjährigen wuchs. Sonja warf einen Blick auf den Schläfer an ihrer Seite.
Hans atmete tief und ruhig, er befand sich in einem erholsamen Schlaf.
Wie sehr sie ihn darum beneidete...
Beneidete sie ihn wirklich? Die Frage stellte sich ihr plötzlich, als
sie merkte, dass eine seltsame Sehnsucht in ihrem Herzen aufstieg.
Sie wollte nicht länger in diesem Zimmer bleiben, um zu schlafen. Sie
wollte - fort... und schien eine ferne, unendlich leise und verlockende Stimme
in sich zu vernehmen, die sie davon überzeugte, dass sie hier nichts mehr zu
suchen hatte.
Obwohl es im Zimmer empfindlich kühl war, trug Sonja Brauer ein dünnes
ärmelloses Nachthemd, durch das die Umrisse ihres Körpers sich deutlich
abzeichneten. Die Zwanzigjährige tastete mit tranceartiger Bewegung zu der
Stelle am Hals, wo sich die Schlagader befand. Es schien, als würde ihr Blut in
dieser Nacht empfindsamer pulsieren...
An der Wand neben dem Nachttisch befand sich in Hüfthöhe ein schmaler
Spiegel, in dem sich die Deutsche betrachtete.
An ihrem Hals war eine dunkle Stelle zu sehen, die sich deutlich von ihrer
weißen Haut abhob.
Eine Sehnsucht, die sie sich nicht genau erklären konnte, ergriff von
ihr Besitz.
Sie - musste fort von hier. Weg von Hans Gerdes. Da war jemand
anderer, der sie erwartete. Sie hatte ihm das Versprechen gegeben zu kommen.
Sie gehörte nicht mehr hierher.
Sonja Brauer warf einen flüchtigen Blick auf den Schlafenden und näherte
sich dem Fenster. Sie starrte auf die nächtliche Straße. Der Asphalt schimmerte
feucht. Die Luft war diesig. Dennoch war der Motorradfahrer auf der anderen
Straßenseite zu erkennen. Er stand in der Nähe einer Laterne und wartete.
Das Mädchen am Fenster wusste auf wen. Auf sie...
Wieder der Wunsch, den
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